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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 9.1858

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https://doi.org/10.11588/diglit.1202#0050
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Neunter

Jahrgang.


ttrdigirt von Friedlich Eggers in Üerlin,

Christian Daniel Uauch

Eine Eharakleriftik seiner künstlerischen Wirksamkeit.


Rauck'S Bildnii? ve'm Jahre 1812.

Vor wenig Wochen ist Rauch von uns geschieden, einer ^
der großen Meister unseres Jahrhunderts, einer der seltnen '
Glücklichen, die aus dem Schaffen fort und fort neue Schö- !
pferkrast zu saugen, die bis in das höchste Greisenalter die ^
Frische der Jugend zu bewahren wußten. Es ist jetzt die j
Aufgabe der Historie, seinen künstlerischen Entwickelungsgang ^
und die Bedeutung desselben darzulegen. Wenn die Ein- ^
führung in die Einzelmomente seines Lebens und Wirkens
umfassenderer biographischer Forschung anheimzugeben ist,
so wird zunächst eine Erledigung jener Aufgabe in übersicht-
lichen Zügen,zu fordern sein.
Das Allgemeine seiner künstlerischen Bedeutung ist be- ^
kannt. Rauch war der Meister der monumentalen Sculp- !
tur, d. h. er gab der individuellen Erscheinung ein für die !
Tauer gültiges Gepräge, er gab der historisch hervorragen- >
den Erscheinung, wo dieselbe im öffentlichen Denkmal ge-
feiert werden sollte, diejenige Fassung, diejenige Umgebung
und Zuthat, welche dies ihr Verhaltniß aussprach. Es ist
die Sculptur des historischen Denkmals, der seine Thä-
tigkeit vorzugsweise gewidmet war. Aber wie in ihr die
beiden Elemente Des künstlerischen Schaffens, das objective
und das subjective, das der naiven.Ersassung des Individuellen

Deutsches Kuuikl'I.itt.

und das einer gedankenhaften Durchbildung und Entwicke-
lung, einander durchdrangen, so lag es in der Natur der
Sache, daß er in. Einzelsällen, und ihre Zahl ist allerdings
nicht gering, theils dem einen, theils dem andern ausschließ-
licher zugewandt war, daß er unter Umständen mit gleicher
Vorliebe realistische wie idealistische Aufgaben behandelte.
In der That findet die theoretische Streitfrage der Gegen-
wart über die vorwiegende Gültigkeit des Realismus und
des Idealismus in der Sculptur und in der Kunst über-
haupt — wenn sie auch nur für die draußen Stehenden eine
Streitfrage ist — in der Beobachtung seines Schaffens die
mannigfaltigsten Anknüpfungspunkte.
Rauch steht in den verschiedenen Phasen seines Wir-
kens in einem innigen Wechselverhältnisse zu seiner Zeit
und ihren künstlerischen Anforderungen. Doch ist der Grund
seines künstlerischen Wesens fest und seiner selbst bewußt;
er folgt nicht den Wandlungen seiner Zeit: er geht mit
ihr und weist ihr die Wege. Er irrt auch wohl mit ihr,
aber als ein solcher, dessen Jrrthum aus selbständigem Stre-
ben nach dem Rechten und Entscheidenden hervorgeht. Sein
ganzes Wesen ist darauf gestellt, Meister zu sein. Offnen
Sinnes für das Schaffen der Vorgänger, der Mitstreben-
den, der Jüngeren, offnen Gemüthes für die wechselnden
Stimmen des Geistes, verdankt er doch das, was er ist,
vor Allem der eignen Kraft, und der rastlose Drang nach
Vollendung führt ihn zur Erfüllung seines Wesens.
Schon der Entwickelungsgang seiner Jugend dient zur
Vorbereitung der Selbständigkeit seines künstlerischen Cha-
rakters.

Christian Daniel Rauch wurde am 2. Januar 1777
zu Arolsen geboren, ein Sohn des fürstlich Waldeck'schen
Kammerdieners Georg Rauch. Der Vater ließ sich die Aus-
bildung seiner Kinder angelegen sein, aber die Ortsschule
bot dazu nur kärgliche Mittel; der Meister erzählt in nach-
gelassenen Notizblättern, wie die beim Unterrichte ange-
wandten Bücher nur das Nöthigste der religiösen Discip-
lin betrafen, während ein geographischer Atlas lediglich als
Sitzkissen des Lehrers diente, und der Jugend in den Zwi-
schenstunden überlassen blieb, die bunten Conture seiner
Blätter nach eignem Ermessen auszudeuten. Ein franzö-
sischer Emigrant, den der Vater in das Haus ausgenom-
men, gab zeitige Gelegenheit zur Erlernung der französischen
Sprache. Ter Fürst des Ländchens fand Wohlgefallen an
dem Knaben, dessen Augen schon früh in dem Glanze strah-
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