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Georg Fuchs:
wissen, es soll auch hier nichts willkürlich,
alles vom Material, seinem Werth oder dem
Inhalte bedingt erscheinen. Auf dem Ein-
bände zu »De Profundis« von Stanislaw
Przybyszewski erstreckt sich die malerische
Behandlung nur auf etwa ein Drittel der
Breite rechts und links vom Rücken. Wie
wenig aber die Beziehung zum Inhalte, das
eigentlich Literarische, zur Bedeutung dieser
Buchauszierungen ausmacht, das beweisen
die von Lechter geschmückten Drucke, die
an sich nur einem praktischen Zwecke dienen:
Wäsche-Katalog, Kalender, Einladungs-
karten, zuvörderst auch der Katalog, den er
zu seiner eigenen Ausstellung im Gurlitt'schen
Salon angefertigt hat. Auch hier nur auf
der Titelseite ein bildliches Element, im
Innern nur das Nothwendige, Aufzählungen
und Erläuterungen, jedoch so geordnet, dass
jede Seite ein geschlossenes, wohlgefälliges
(Tanze darstellt. Das Bild der Vorderseite
symbolisirt uns seine ganze Kunstweise.
Unter einem Baldachine, am »Mystischen
Quell«, der aus strenger Fassung aufsprudelt,
kniet ein Jüngling. Er stützt sich auf die
Brüstung des Brunnens und presst voll Sehn-
sucht und Schmerz die Hände vor das Antlitz.
Sein lockiges
Haupt ist hinab-
geneigt zur Tiefe,
sein zarter, schlan-
ker Leib in fal-
tiges Gewand ge-
hüllt: so scheint
er, zumal er die
Binde trägt,
Priester und
Künstler zu-
gleich. In der
Kuppel, welche
sich über seinem
Haupte zwischen
den Säulen des
Baidachines steil
emporwölbt
leuchten Sterne,
in Gruppen ge-
theilt durch Strah-
len, welche von
der Mitte ailS- Geschnitzter Tisch.
gehen, von der blumenumgürteten »Rosa
mystica«. Das Dach, aus blattartigen
Schuppen gebildet, wird gekrönt durch eine
gewaltige, runde Blume, die auf einem von
zwei Eichblättern flankirten langen Stiele
sitzt. Die Blätter - Kapitale der die Rund-
bogen der Kuppel stützenden Säulen, tragen
zwei die Kuppel überragende Fialen, welche
ebenfalls in kleineren Rosetten endigen.
Zwischen den Fialen, der Kuppel und den
Blatträndern wird der leere Raum, Grün
auf Schwarz, durch die Schrift gefüllt, dar-
unter steht auf jeder Seite je ein Stern, um
den Hintergrund niederes, stilisirtes Busch-
werk. — Am Brunnen-Sockel wie am Bal-
dachine bemerkt man deutliche Kennzeichen,
dass der Künstler die Vorbilder aus der
Uebergangs-Architektur von der romanischen
zur gothischen Epoche nicht ganz in seinem
Gedächtnisse unterdrücken wollte. Allein
niemals hätte ein Künstler jener Zeit, über-
haupt irgend einer Zeit ausser der unseren
diesen seltsamen Tempel ersinnen können.
Wie es die Umdeutung der architektonischen
Elemente für die Zwecke der Buchausstattung
nothwendig verlangt, sind hier alle Formen
von der Bestimmung zu tragen, zu stützen
MELCHIOR LECHTER.
Georg Fuchs:
wissen, es soll auch hier nichts willkürlich,
alles vom Material, seinem Werth oder dem
Inhalte bedingt erscheinen. Auf dem Ein-
bände zu »De Profundis« von Stanislaw
Przybyszewski erstreckt sich die malerische
Behandlung nur auf etwa ein Drittel der
Breite rechts und links vom Rücken. Wie
wenig aber die Beziehung zum Inhalte, das
eigentlich Literarische, zur Bedeutung dieser
Buchauszierungen ausmacht, das beweisen
die von Lechter geschmückten Drucke, die
an sich nur einem praktischen Zwecke dienen:
Wäsche-Katalog, Kalender, Einladungs-
karten, zuvörderst auch der Katalog, den er
zu seiner eigenen Ausstellung im Gurlitt'schen
Salon angefertigt hat. Auch hier nur auf
der Titelseite ein bildliches Element, im
Innern nur das Nothwendige, Aufzählungen
und Erläuterungen, jedoch so geordnet, dass
jede Seite ein geschlossenes, wohlgefälliges
(Tanze darstellt. Das Bild der Vorderseite
symbolisirt uns seine ganze Kunstweise.
Unter einem Baldachine, am »Mystischen
Quell«, der aus strenger Fassung aufsprudelt,
kniet ein Jüngling. Er stützt sich auf die
Brüstung des Brunnens und presst voll Sehn-
sucht und Schmerz die Hände vor das Antlitz.
Sein lockiges
Haupt ist hinab-
geneigt zur Tiefe,
sein zarter, schlan-
ker Leib in fal-
tiges Gewand ge-
hüllt: so scheint
er, zumal er die
Binde trägt,
Priester und
Künstler zu-
gleich. In der
Kuppel, welche
sich über seinem
Haupte zwischen
den Säulen des
Baidachines steil
emporwölbt
leuchten Sterne,
in Gruppen ge-
theilt durch Strah-
len, welche von
der Mitte ailS- Geschnitzter Tisch.
gehen, von der blumenumgürteten »Rosa
mystica«. Das Dach, aus blattartigen
Schuppen gebildet, wird gekrönt durch eine
gewaltige, runde Blume, die auf einem von
zwei Eichblättern flankirten langen Stiele
sitzt. Die Blätter - Kapitale der die Rund-
bogen der Kuppel stützenden Säulen, tragen
zwei die Kuppel überragende Fialen, welche
ebenfalls in kleineren Rosetten endigen.
Zwischen den Fialen, der Kuppel und den
Blatträndern wird der leere Raum, Grün
auf Schwarz, durch die Schrift gefüllt, dar-
unter steht auf jeder Seite je ein Stern, um
den Hintergrund niederes, stilisirtes Busch-
werk. — Am Brunnen-Sockel wie am Bal-
dachine bemerkt man deutliche Kennzeichen,
dass der Künstler die Vorbilder aus der
Uebergangs-Architektur von der romanischen
zur gothischen Epoche nicht ganz in seinem
Gedächtnisse unterdrücken wollte. Allein
niemals hätte ein Künstler jener Zeit, über-
haupt irgend einer Zeit ausser der unseren
diesen seltsamen Tempel ersinnen können.
Wie es die Umdeutung der architektonischen
Elemente für die Zwecke der Buchausstattung
nothwendig verlangt, sind hier alle Formen
von der Bestimmung zu tragen, zu stützen
MELCHIOR LECHTER.