Deutsche Plastik.
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heimathlichc U eberlief erung be-
sinne, in Stoff, Idee und Tech-
nik. Die alten Meister schufen
Grosses in der polychromen
1 tolzskulptur, in der Behand-
lung der Edelmetalle und Edel-
steine, im Erzguss und endlich
in dekorativen Gestaltungen
aus heimathlichem Materiale
(Kalk- und Sandstein) zu ar-
chitektonischen Zwecken. Die
Gedankenblässe des Marmors
wird schwinden müssen, die
Polychromie, dem besonders ent-
wickelten koloristischem Sinne
der Neuzeit entsprechend, wird
als umgestaltende Macht auf-
treten, um unsere Plastik zum
Stile zu erheben. - In der
That scheint die Entwickelung
in diese Bahn einlenken zu
wollen. Man denke nur an
Klingers polychrome Meister-
werke! Man beachte ferner
die schönen Skulpturen, welche
Flossmann und Gasteiger all-
jährlich ausstellen, die in hei-
mischem , Untersberger Mar-
mor ausgeführt sind. Ohne
Zweifel hat hier der Karakter
des Materials einen wesentlichen Einfluss
auf den der Formen gebung ausgeübt, nicht
minder bei dem Wittelsbacher Brunnen
Hildebrand's in München.
Es könnte unsere jungen Bildhauer
ausserordentlich fördern, wenn sie diesen
Beispielen, welche u. a. auch Hermann
Obrist in noch nicht bekannten Werken
vermehrt hat, eifrig folgen, wenn sie sich
vor allem dem Holze und den Edelmetallen
mit Fleiss zuwenden wollten. Dies scheinen
mir die Grund-Bedingungen einer stilistischen
Neubelebung deutscher Bildhauerei: Poly-
chromie und heimisches Material!
Das fremde Material, der cararische
Marmor, ist doch wohl mit schuldig an der
Karakterlosigkeit, durch welche sich unsere
Plastik im Ganzen auszeichnet. Wir wollen
fern er des grossen Schadens, dendiepreussische
Gesinnungs-Plastik anrichtet, als einer äusser-
Porträt-Büste.
HERM. HAHN-MÜNCHEN.
liehen Sache, nur nebenbei gedenken, obwohl
sie uns zahlreiche hervorragende Künstler
geradezu vernichtet und zu patriotischen
Leitartiklern in Marmelstein und Bronce
»erzogen« hat. Es ist wohl ungerecht, von
einem Künstler zu verlangen, dass er ein
»guter Karakter« sei, aber man wird es um
so höher anerkennen, wenn ein Bildhauer
innerhalb der verheerenden »Denkmäler-Pest«
gesund und anständig bleibt. Ludtvig Habich,
dessen Denkmal zur Erinnerung an die
Wiederaufrichtung des Deutschen Reiches
wir hier abbilden, kann stolz darauf sein,
dass er zu den wenigen gehört, die das
Heiligthum der göttlichen Kunst nicht preis-
geben. Das kräftig profilirte, etwas jugendlich
pathetische, aber frisch und mit kecken Zügen
durchgebildete Monument wird die alte
hessische Universitätsstadt Glessen zieren.
Eine aussergewöhnliche Begabung hat Ludwig
395
heimathlichc U eberlief erung be-
sinne, in Stoff, Idee und Tech-
nik. Die alten Meister schufen
Grosses in der polychromen
1 tolzskulptur, in der Behand-
lung der Edelmetalle und Edel-
steine, im Erzguss und endlich
in dekorativen Gestaltungen
aus heimathlichem Materiale
(Kalk- und Sandstein) zu ar-
chitektonischen Zwecken. Die
Gedankenblässe des Marmors
wird schwinden müssen, die
Polychromie, dem besonders ent-
wickelten koloristischem Sinne
der Neuzeit entsprechend, wird
als umgestaltende Macht auf-
treten, um unsere Plastik zum
Stile zu erheben. - In der
That scheint die Entwickelung
in diese Bahn einlenken zu
wollen. Man denke nur an
Klingers polychrome Meister-
werke! Man beachte ferner
die schönen Skulpturen, welche
Flossmann und Gasteiger all-
jährlich ausstellen, die in hei-
mischem , Untersberger Mar-
mor ausgeführt sind. Ohne
Zweifel hat hier der Karakter
des Materials einen wesentlichen Einfluss
auf den der Formen gebung ausgeübt, nicht
minder bei dem Wittelsbacher Brunnen
Hildebrand's in München.
Es könnte unsere jungen Bildhauer
ausserordentlich fördern, wenn sie diesen
Beispielen, welche u. a. auch Hermann
Obrist in noch nicht bekannten Werken
vermehrt hat, eifrig folgen, wenn sie sich
vor allem dem Holze und den Edelmetallen
mit Fleiss zuwenden wollten. Dies scheinen
mir die Grund-Bedingungen einer stilistischen
Neubelebung deutscher Bildhauerei: Poly-
chromie und heimisches Material!
Das fremde Material, der cararische
Marmor, ist doch wohl mit schuldig an der
Karakterlosigkeit, durch welche sich unsere
Plastik im Ganzen auszeichnet. Wir wollen
fern er des grossen Schadens, dendiepreussische
Gesinnungs-Plastik anrichtet, als einer äusser-
Porträt-Büste.
HERM. HAHN-MÜNCHEN.
liehen Sache, nur nebenbei gedenken, obwohl
sie uns zahlreiche hervorragende Künstler
geradezu vernichtet und zu patriotischen
Leitartiklern in Marmelstein und Bronce
»erzogen« hat. Es ist wohl ungerecht, von
einem Künstler zu verlangen, dass er ein
»guter Karakter« sei, aber man wird es um
so höher anerkennen, wenn ein Bildhauer
innerhalb der verheerenden »Denkmäler-Pest«
gesund und anständig bleibt. Ludtvig Habich,
dessen Denkmal zur Erinnerung an die
Wiederaufrichtung des Deutschen Reiches
wir hier abbilden, kann stolz darauf sein,
dass er zu den wenigen gehört, die das
Heiligthum der göttlichen Kunst nicht preis-
geben. Das kräftig profilirte, etwas jugendlich
pathetische, aber frisch und mit kecken Zügen
durchgebildete Monument wird die alte
hessische Universitätsstadt Glessen zieren.
Eine aussergewöhnliche Begabung hat Ludwig