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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 5.1899

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Heft 2 (November)
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Schliepmann, Hans: Moderner Schmuck
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https://doi.org/10.11588/diglit.6697#0094
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Moderner Schmuck.

69

dieser selbst, geben davon besonders zierliche
und graziöse Beispiele; auch das Tintenfass
in mattem Silber gehört hierher; aber bereits
die grosse flache Fruchtschale in blankem
Silber mit stumpfem Ornament zeigt in der
Behandlung des Randes die Einflüsse der
Moderne. Ganz neue Wege sind dann bei
den übrigen Gefässen betreten. Das wesent-
lichste Verdienst derselben möchte ich darin
erblicken, dass die Gefässformen der Keramik
und des Glases mit voller Absichtlichkeit
vermieden sind. Nur das erste der drei
Gefässe auf Seite 79 erinnert noch ein wenig
an die Krugform mit Bastgeflecht; doch
sind gerade hier auch sogleich wieder die
Einzelheiten ganz der Metalltechnik ent-
sprechend gestaltet. Die anderen Zier-Vasen
erinnern in keinem Zuge an Töpferscheibe
oder Glasbläserrohr; auch aus blossen Umriss-
zeichnungen würde man auf den Werkstoff
schliessen können, und das ist das einzig
Bestand behaltende Kennzeichen eines rich-
tigen Stilgefühles.

Diese Karakterisirung ist ausser durch
die Grundform durch die Detailgestaltung
noch in mehrfacher Weise besonders heraus-
gebracht, sei es nun durch die »martele«-
Behandlung des graziösen, matt hellsilbernen
Gefässes mit den, luftig geschwungene
Linien annehmenden Henkeln, sei es durch
die beschlagartige Ausbildung der Fuss-
verzierung desselben Gefässes oder sei es,
wie in den häufigsten Fällen, durch eine der
Ciselirung besonders angepasste Reliefbildung.
Diese ist besonders reizvoll an dem Gefäss
»Tag und Nacht«, dessen ausgezeichneter
Eindruck in Wirklichkeit nur ein wenig durch
die aufgelegten Emailplatten mit ihrem, im
Maassstab etwas übertriebenen, tangartigen
Ornament beeinträchtigt scheint. Um so
liebenswürdiger ist die von diskretem Humor
erfüllte Symbolik der Henkel-Ornamente.

Diese Freude am Symbolischen, die ja
zu jeder Zeit lebendiger Ornamentik hervor-
tritt und deren Wiedererwachen als ein
glückliches Zeichen unserer Zeit angesehen
werden darf, tritt bei O. M. Werner sehr
lebhaft hervor. So zeigen die beiden zier-
lichen Elfenbeinfigürchen einen Malachit-
untersatz, von silbernen Wellen umflossen,

1900. 11.2.

der die grüne Erde andeuten soll, aus der
goldene Bäume emporwachsen, um einen
Kern von Bergkristall herum, die klare Luft
andeutend; über dem dichten Gezweig
entwickeln sich dann wie aus Wolken die
luftigen Genien. Dass hierbei gelegentlich
ein nicht ganz in Stilistik aufgegangener
Naturalismus mit unterläuft, scheint mir nicht
wohl zu leugnen. So möchte ich z. B.
glauben, dass auf dem unten silberweissen,
oben bräunlich getönten Gefäss mit den
beiden hörnerartigen Elfenbeinhenkeln die
naturalistische Behandlung der Bäume nicht
ganz mit der übrigen Gestaltung des Gefässes
in Einklang gekommen ist. Der Künstler
folgt hier allerdings einem in der modernen
Kunst vielfach auftretenden Bestreben nach
einer Ornamentation aus dem Naturalismus
heraus mit verstreuter Flächen Wirkung, im
Gegensatz zu der Wirkung der einfachen
breiten geschwungenen stilisirten Linie; man
wird diesen Versuchen eine Zukunft nicht
von vorn herein absprechen können; ein
Nebeneinanderstellen so antithetischer Rich-
tungen aber dürfte schwerlich jemals eine
volle Harmonie ergeben. Aber auf dem
Gebiete der Kunst soll man nie im Vor-
hinein absprechen. Jedenfalls verdient, wer
mit Ernst das bisher Unerhörte versucht,
unter allen Umständen eher die Bezeichnung
Künstler als derjenige, der auf sicheren aus-
getretenen Bahnen gemächlich weiterschreitet.

O. M. Werner zeigt sich aber auch in
seinen bereits zahlreichen Werken so sehr
als reifer Künstler, dass man nur mit herz-
licher Freude und Spannung seinem weiteren
Schaffen entgegensehen kann. Der ganzen
Entwickelung der Goldschmiedekunst aber
muss es noch zu besonderer Förderung
dienen, dass die Firma J. H. Werner ihre
Erzeugnisse durchaus in Handarbeit herstellt,
dass also jedes Stück ein Unikum, ein kleines
selbständiges Kunstwerk ist. Hierbei muss
sich natürlich der Preis höher als bei
französischer, englischer oder deutscher
Dutzendwaare stellen, wenngleich er an sich
durchweg kein irgendwie übertriebener ist.
Aber gerade dadurch vermag die Firma
den stark verlotterten Geschmack des Pub-
likums wieder zu erziehen, dass sie ihm das
 
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