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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 5.1899

DOI Heft:
Heft 2 (November)
DOI Artikel:
Wilser, Ludwig: Germanischer Stil und deutsche Kunst, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6697#0121

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9.6

Ludwig Wils er:

Germanischer Stil unp peutsche Kunst.

(Schluss aus Heft XII vor. Jahrg.).

Der altgermanische Holzbau kennt »keinen
Gegensatz von Werkform und Schmuck-
form«, {Neumann, Architektonische Betrach-
tungen eines deutschen Baumeisters, Berlin
1896), beide waren eins; das Zierwerk hatte
sich in langer, natürlichen Entwickelung der
Eigenart des Baustoffes völlig angepasst. Der
Steinbau dagegen hatte bei uns nicht die
gleiche Vorgeschichte {SesselberghaX, 1. c. über-
zeugend nachgewiesen, dass die Rundkirchen
auf germanische steinerne Wehrthürme
zurückzuführen sind, die eine von der süd-
lichen völlig abweichende Bauart haben) und
zum blossen Nachahmen des fremden hatten
unsere Vorfahren ein viel zu mächtiges, alt-
ererbtes Stilgefühl. (Ein schlagendes Bei-
spiel für die Macht des Stilgefühls sind die
umgewandelten lateinischen Buchstaben, die,
jetzt »deutsche Schrift« genannt, den Stil
selbst weit überdauert haben). So blieb ihnen
nichts anderes übrig, als ihren Formenschatz,
obgleich er auf Holz in des Wortes eigent-
lichster Bedeutung zugeschnitten war, in

Stein zu übersetzen. Immer mehr drängt
sich einsichtigen Baumeistern die Vermuthung
{Neumann 1. c.) auf, ja die Vermuthung
wird zur Gewissheit, »dass viele Formen
des romanischen und gothischen Stein-
stils, deren Entstehung sich nicht auf
antike Vorbilder zurückführen lässt, für
die auch eine selbständige Neuerfindung
nicht vorausgesetzt werden kann, durch
Uebertragung urgermanischer Holzbaufor-
men auf den Steinbau zu erklären sind«.
Was von Zierformen thierischen oder
pflanzlichen Ursprungs entlehnt wurde, ist
verhältnissmässig wenig und wurde bald
vollständig einverleibt, stilgerecht umge-
staltet. Auch der Bauplan selbst, der Grund-
riss war in der germanischen Halle schon
gegeben und wurde nur später durch Ein-
schiebung des Querschiffs, Angliederung der
Thürme und Ausbau des Chors erweitert;
der hölzerne Dachstuhl wurde zunächst bei-
behalten. Es ist nicht zuviel gesagt, wenn
man behauptet, dass alle den »romanischen«
 
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