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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 5.1899

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Heft 5 (Februar)
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Gurlitt, Cornelius: Deutsche Baukunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.6697#0254

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Deutsche Baukunst.

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wie Kupferstich. Gewiss eine gute Schule:
Denn die Berliner der alten Bötticher'schen
Art, die Schinkelianer, waren ganze Kerle!
Einig mit sich in ihrem Streben und ihren
kunstphilosophischen Ueberzeugungen und
somit kritisch unantastbar, so lange man
ihre Lehre nicht widerlegen konnte. Wenn
gleich jetzt diese längst als falsch erkannt
ist, so zeigte sich an den alten Berlinern,
dass nicht der Glaube seinem Inhalte nach,
sondern dass die Gläubigkeit die beruhigte
Sicherheit des Wollens und Schaffens gibt.

Dann kam die Zeit Lucae's, die be-
ginnende Hinneigung zur italienischen Re-
naissance unter der Führung der Wiener
Meister und Sempers. In Berlin steht nahe
der Herkulesbrücke jenseits des Lützow-
platzes ein grosser Zinskasten mit Sgraffiten-
schmuck, der gewiss keinem der Vorbei-
wandernden mehr auffällt: Er war in seinen
breiteren, vollsaftigeren Formen uns jungen,
gleichfalls aus Wien kommenden Architekten
ein Siegeszeichen der neuen Richtungen
über die »Tektoniker«. Damals hörte man
zuerst Licht's Namen als den des Erbauers
dieses Hauses unter den Fachleuten lauter
nennen. Mehr geschah das freilich durch aller-
hand Sammelwerke, über die Baukunst der
Gegenwart, die er bei dem vor einiger Zeit

verstorbenen Verleger Ernst Wasmuth her-
ausgab. Ich bin selbst einer der »Autoren«
dieses merkwürdigen, unvergesslichen Mannes
gewesen und weiss, wie er solche Sammel-
werke machte. Er brauchte nicht die Ar-
beitskraft, sondern nur den Rath eines Fach-
mannes, und er suchte sich aus der Menge
der Architekten den zum Autor aus, von
welchem er glaubte, dass er die Zukunft
und deren künstlerisches Bedürfniss errathen
könne. Und mit diesem wählte er aus der
Menge des Darstellbaren heraus, was den
Langsameren später gefallen werde. Auch
wenn er Altes veröffentlichte, dachte er als
kluger Geschäftsmann stets daran, ob es
etwa bald zu einem Zukünftigen werden
könnte, wie dies ja zuweilen vorkommt.

Und da war Licht der beste, den er
finden konnte. In rascher Folge machte
Licht alle Wandel der Mode mit, ohne
dabei je zu einem langweiligen »Stil-Echten«
zu werden, das heisst, ohne je die Herrschaft
einer einzelnen Form-Art über sich anzuer-
kennen. Im Leipziger Museumsumbau pflegte
er, durch das Bestehende gezwungen, noch
die Renaissance, doch mit einem Zug zur
späteren Abart, zu Sansovino; am Konser-
vatorium für Musik wurde er freier, dem
Barock zustrebend und sagte sich in der
 
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