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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 5.1899

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Heft 6 (März)
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Folnesics, Hans: Das moderne Wiener Kunstgewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.6697#0297
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256

Dr. Folnesics: Das moderne Wiener Kunstgewerbe.

funden wurden, und wie gewisse Eck-
lösungen, Thorbauten, Eisenkonstruktionen,
ornamentale Details usw. Elemente in die
Architektur bringen, die bisher unbekannt
waren und die man mit Dreger eine mo-
derne Barocke nennen kann. Wenn nun
bei Wagner selbst nach dieser Richtung
immer noch eine Tendenz zur Mässigung
vorhanden ist, so ist dies bei manchen
seiner Schüler nicht mehr der Fall.
Sie trachten sich aller historischen Formen
zu entledigen, vereinfachen die Profilirungen
derart, dass wir mitunter an ägyptische
Motive erinnert werden, und trachten dafür
jene moderne Barocke scharf und rücksichts-
los zum Ausdruck zu bringen. Genau so
wie es einst in ihrer Weise und mit ihren
Mitteln die echte Barocke gegenüber der
Renaissance gethan, trachten sie nach male-
rischer Wirkung, wenden dem dekorativen
Detail grosse Aufmerksamkeit zu, lieben im
Aussenbaue die bewegte Silhouette und die
kräftigen Schlagschatten und sind vor allem
Meister einheitlicher Farbenstimmungen. Das
ist es, was die Leute Sezession nennen. Das
ist Olbrich in seinem Ausstellungs-Gebäude
für die »Sezession«, das ist Hof mann, Pletsch-
nik, Mautauschek und mancher andere inner-
halb und ausserhalb der Wagnerschule.

Auch in Wien steht die Baukunst noch
keineswegs vor fertigen Resultaten, aber
sie ist mit Geist, Talent und Eifer an der
Arbeit. Noch mehr als auf der Strasse
zeigt sich das in den Interieurs, denen
diese Architektur zum äusseren Gehäuse
dient. Olbrich hat in der Hinterbrühl ein
Landhaus eingerichtet, in dem er jene
moderne Barocke in eigensinnigster Weise
durchführt. »Eigensinnig« in des Wortes
ursprünglicher Bedeutung als aus eigenem
Sinne hervorgegangen, und eigensinnig wie
wir es heute verstehen als bis zur Selbst-
schädigung durchgeführte rücksichtslose
Konsequenz. Der unläugbare künstlerische
Feingehalt seiner Kompositionsweise zeigt
sich auch in jenen Interieurs, die er bei dem
bekannten Amateur-Photographen Dr. Spitzer
in Wien ausgeführt hat, wo besonders der
Speise- und der damit verbundene Musik-
raum Stimmungen hervorruft, die auf ein

direktes Nachempfinden moderner Gemälde,
auf Uebertragung koloristischer Qualitäten
unserer Maler in die Raumkunst anzusehen
sind: ein ganz neues Prinzip!

In manchem Sinne weiter entwickelt,
in manchem aber auch gemässigter und
deshalb zum Wohnen vielleicht geeigneter
sind die gleichfalls von Olbrich eingerich-
teten Räume eines bekannten Grosshändlers
auf der hohen Warte in Döbling. Diese
und andere Leistungen auf dem Gebiete der
Interieur-Kunst wurden kürzlich durch eine
Publikation unter dem Titel »Ideen von
Josef Olbrich« veröffentlicht, daher wir
eingehender darüber nicht zu berichten
brauchen. Weniger bekannt ist hingegen
das Interieur aus der letzten Winter-Aus-
stellung im Oesterreichischen Museum, aus
dem wir drei Abbildungen bringen. In
einen künstlich konstruirten Mansarden-
raum von unregelmässigem Durchschnitt
hineinkomponirt, litt es durch den Um-
stand, dass die ornamentalen Details für
die unzulänglichen Dimensionen, in die das
Zimmer eingezwängt werden musste, zu
gross und wuchtig und die Farben zu
kräftig waren. Dennoch war es eine
Schöpfung, die an gesunden, originellen und
glücklich kombinirten Motiven mehr enthielt
als Anderen oft für eine ganze »hochherr-
schaftliche« Wohnung zur Verfügung steht.

Als jüngste Leistung Olbrich's muss die
Innen-Ausstattung des Wiener Kunstgewerbe-
vereins im Palais Herberstein angeführt
werden, die der hier untergebrachten Aus-
stellung zu einer in jeder Beziehung höchst
interessanten Zierde gereicht. Die Art und
Weise wie sich das von fremden Entwürfen
unabhängige Wiener Kunstgewerbe Olbrich's
Kompositionen zurecht legt, kam in einem
recht gelungenen Interieur des Tischlers
Niedermoser zum Ausdruck, aus dem wir
die rechte Seite zur Anschauung bringen.
Ein mit Olbrich verwandtes künstlerisches
Streben finden wir bei Josef Ho ff mann,
einem Schüler Hasenauers, der lange im
Atelier Wagner beschäftigt war und kürzlich
eine Professur an der Wiener Kunstgewerbe-
schule erhalten hat. Hoffmann hat nament-
lich durch seine originellen und glücklichen
 
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