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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 5.1899

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Heft 6 (März)
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Folnesics, Hans: Das moderne Wiener Kunstgewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.6697#0302
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Das moderne Wiener Kunstgewerbe.

261

Diesen, mit der Schule Wagner direkt
oder der Tendenz nach im Zusammenhange
stehenden Künstlern moderner Richtung
steht eine Gruppe anderer gegenüber, deren
Leistungen gleichsam ein Uebergangs-
stadium von den früheren Darbietungen des
Kunstgewerbes zu den, wie die Leute sich
auszudrücken pflegen, »rein sezessionistischen «
bilden. Diese Künstler, gewöhnlich Leiter
oder Besitzer kunstgewerblicher Etablisse-
ments, nehmen ihre Motive, wo sie sie
finden, und verarbeiten sie in ihrer Weise.
Die Vorkenntnisse, die sie hierzu mit-
bringen, verdanken sie in der Regel einer
Architektur — oder einer Kunstgewerbe-
Schule. Wenn hier auch keine so eigen-
artigen und selbständigen Künstler an-
getroffen werden, wie es jene sind, die
als Führer und Vorkämpfer der neuen
Richtung angesehen werden müssen, so
ist ihre Originalität doch nach der einen
Richtung nicht zu verkennen, dass sie mit
Geschick und grossem Anpassungs-Vermögen
einerseits den bisherigen Kunstanschauungen
Rechnung tragen, andererseits alle histo-
rischen Reminiscenzen zu vermeiden wissen.
Ihre Profilirungen, ihre konstruktiven Kom-
binationen, die Entwickelung des Aufbaues
ihrer Möbel und vor allem ihre Ornamentik
gehören der neuen Richtung an, und was
ihren Hauptvorzug bildet, sie entwickeln
jene spezifische kokette Wiener Grazie, wo-
durch sich unsere Produktion von der
deutschen und englischen unterscheidet.
Manchen wird dieses Lob einem Tadel ähn-
lich sehen, von dem Prinzipe ausgehend,
dass jene Kunstweise die gesündeste, aus-
drucksvollste und interessanteste ist, die den
Erdgeruch des Bodens noch verspüren lässt,
auf dem sie entstanden, kann man sich
jedoch ihrer nur freuen. Dem momen-
tanen Bedürfniss und allgemein verbreiteten
Geschmack kommen diese Arbeiten in höhe-
rem Maasse entgegen, als jene der fort-
geschrittensten Richtung. So fand das
Damen - Schlafzimmer in Cedernholz von
Siegmund Jaray nach Entwurf von Max
Jaray ungeteilten Beifall, und verdiente
ihn in seiner schmucken Anmuth mit seinen
leicht gefärbten Rosen, die als Relief-

schnitzerei den ornamentalen Gleichklang
im ganzen Räume herstellten, mit seinen
wohl disponirten Wand - Schränken, Sitz-
Gelegenheiten , Toilette - Einrichtungen und
den originellen abschliessenden Fries von
M. Kämmerer in vollem Maasse.

Nicht minder wohlthuend wirkte die
englische Halle von J. W. Müller (entworfen
von Architekten Leopold Müller), mit der
eingebauten Kamin-Nische und allem sonstigen
geschmackvoll angeordneten Detail. Die
Hauptfarben waren hier ein dunkles Olive-
grün und ein gedämpftes Hellblau. Der eng-
lische Typus hatte einen starken wienerischen
Einschlag erhalten, und eine Menge dekorativer
Zuthaten athmeten mehr den Geist Markarts
als den von Ashbee oder Baillie Scott, gewiss
zur vollen Zufriedenheit der meisten Besucher.

j. m. olbrich - darmstadt. Schrank des Herrenzimmers.

1900. VI.».
 
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