Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 5.1899

DOI Heft:
Heft 6 (März)
DOI Artikel:
Schölermann, Wilhelm: Die Wiener Plastik und Malerei
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6697#0323

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
pie Wiener piastik unp malerei.

I. PLASTIK.

In engem Zusammenhang mit der Aus-
gestaltung der modernen Innen- und
Aussen-Architektur schliesst sich die Plastik
der Baukunst und dem Kunstgewerbe an. An
Stelle des früher vorwiegend monumentalen
Karakters tritt der dekorative und aus-
gesprochen ornamentale Zug bei der Wiener
ßildnerei in Stein oder Holz deutlicher her-
aus. In dieser Richtung und im Verein
mit der modernen Baukunst sind ihr vielleicht
wichtige Aufgaben gesetzt. Das Gesetz,
wonach die innere und äussere ornamentale
Ausstattung dem Stile der architektonischen
Grundform entsprechen muss, dem das Bau-
werk angehört, bahnt einer neuen zeit-
gemässen Aesthetik der Zierformen den Weg
zur Freiheit. Die Ornamentik muss dahin
streben, durch die entsprechende Anordnung
und Formgestaltung des künstlerischen
Schmuckes die praktischen Zwecke, welche
die zu verzierende Grundform im Ganzen
und in ihren einzelnen Theilen zu erfüllen
hat, nicht nur nicht zu beeinträchtigen, son-
dern zu lebensvollem Ausdruck zu bringen.
Sie soll auch in ihren stofflichen Eigen-
schaften — die ja zum Theil erweitert und
verändert werden — der zu verzierenden
Grundform entsprechen und ebensowenig,
wie diese, dem Stoffe Eigenschaften an-
dichten, die er nicht besitzt.

Die daraus folgenden Schlüsse und die
der Plastik zufallenden Aufgaben ergeben
sich von selbst. Für Standbilder scheint der
Sinn etwas abzunehmen, was wohl zunächst
weniger auf die moderne Geschichtsauffassung
— die das Einzelwesen hinter die soziale
Zeitströmung zurückschieben möchte — als
vielmehr darauf zurückzuführen ist, dass
(von bestelltem Patriotismus und Byzantismus
abgesehen) geeignete Helden augenblicklich
minder zahlreich vorhanden sind, als der
gute Wille ihnen Standbilder zu errichten.
So entwickelt sich der dekorative Zug fast
ungehindert nach allen Seiten, und die
Monumentalplastik feiert nur noch in über-
lebensgrossen Schlachtrossen und Feldherren
»aus Bronze und fürstlichem Geblüt« etwas
schwerfällige Triumphe. Weder die Ge-

stalten der Verewigten noch die Lebens-
gefühle der Beschauer werden durch offizielle
Denkmäler erhöht und bereichert, die mit
mehr Vorsicht als Mannesmuth in den
sanften Bahnen der Konvention gravitätisch
einherschreiten. Der Mitwelt gegenüber
bleibt ihre Sprache, und wäre sie in Erz
oder Marmor gegraben, todt und stumm.

Dagegen ist die schmückende Plastik
eine von jenen Neusten, die sich natürlicher-
weise »grenzenlos erdreusten«. Auf der
Jubiläumsausstellung im Prater hatte sie zum
erstenmal Gelegenheit gefunden, sich auszu-
toben. Auf diesem Tummelplatz der aller-
lustigsten und allertraurigsten Einfälle konnte
selbstverständlich von einem modernen Stil
noch nicht gesprochen werden. Aber An-
regung war da und viel Freude an der
Farbe, die in hellen Tönen an den Fassaden
entlang flimmerte, durch einzelne krassere
Buntheiten unterbrochen. Von all' den Ge-
bäuden, die »einen sommerlang« dort glänzten,
hat nur die »Urania« den grossen Abbruch
überlebt, weil sie zu volksbildenden Zwecken
erhalten bleiben soll. Weithin leuchtet das
Weiss und Blau dieses Gebäudes mit seinem
Giebelfeld von in symbolischen Arabesken-
linien verschlungenen Sternbildern des nächt-
lichen Himmels. Aber auch an anderen
Pavillons trat der bildhauerische Zug lebhaft
hervor, z. B. bei dem »Brauherrn-Pavillon«
und dem »Pavillon der Stadt-Erweiterung«,
welche beide von dem begabten und phantasie-
vollen Willielm Ifejda in freizügiger Weise
geschmückt worden waren. Den plastisch-
dekorativen Theil der Aussenseite des Aus-
stellungsgebäudes der Sezession hat Othviar
Schimkowitz, der einige Jahre in den Ver-
einigten Staaten gearbeitet hatte, entworfen
und durchgebildet, symbolische Masken,
Thierkörper und dergl. Schimkowitz hat
auch mit dem jungen Architekten Pletschnik
zusammen das Modell zu einem Guttenberg-
Denkmal entworfen, das vor einiger Zeit
im Oesterreichischen Museum für Kunst und
Industrie ausgestellt war und berechtigte
Aufmerksamkeit erregte.

An tüchtigen Vertretern der Plastik hat
Wien von jeher keinen Mangel gelitten.
 
Annotationen