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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 6.1900

DOI Heft:
Heft 9 (Juni)
DOI Artikel:
Brües, Ernst: Das Kaiser Wilhelm-Museum und sein Wirken
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https://doi.org/10.11588/diglit.6696#0133

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KREFELD^

\i 1

Pas Kaiser Wilhelm-Museum unp sein Wirken.

Ganz Krefeld hängt am seidenen
Faden«. Dies oft gebrauchte und
nicht gerade glückliche Bild ver-
liert allmählich seine Berechtigung.
Der seidene Faden hat aus dem unbe-
deutenden Landstädtchen eine Stadt von
mehr als hunderttausend Einwohner ge-
schaffen, er hat ihr seine Bedeutung auf
dem Weltmarkt gegeben. Aber die Allein-
herrschaft, die er im gewerblichen Leben
der Stadt seit Menschengedenken ausgeübt
hat, machte die launische Mode zur Triebfeder
in dem aus Hunderterlei feinen Theilen sich
zusammensetzenden Uhrwerk des Sammt-
und Seidenstoff-Gewerbes. Die Mode be-
stimmte das Gedeihen und den Niedergang
der wirthschaftlichen Verhältnisse. Eine
grössere Vielseitigkeit in der Herstellung
gewerblicher Erzeugnisse hätte statt eines
ruckweisen Fortschreitens eine gesundere
Stetigkeit in der Entwickelung der Stadt
gefördert. Aber es ist nicht leicht, fest-
eingewurzelten Verhältnissen neue Trieb-
kräfte an die Seite zu stellen. Erst die
grosse Stockung des gewerblichen Lebens,
die der Uebergang vom Handstuhl zum
mechanischen Stuhl in den achtziger Jahren
in die Sammt- und Seidenstoffweberei ver-
schuldete, erst der gefährliche Uebergangs-
zustand, aus dem sich das Gewerbe mit
bewundernswerther Ausdauer zu neuen ge-
sunderen Lebensbedingungen emporgearbeitet

hat, weckte auf vielen Gebieten neuen Unter-
nehmungsgeist, und schon heute ist die lange
beklagte Einseitigkeit des Krefelder Gewerbs-
lebens überwunden. Die Stadt schickt sich
an, das 5 Kilometer entfernt liegende alte
Städtchen Linn einzugemeinden und dort
einen Hafen für gewerbliche Anlagen zu
erbauen. Grosse Stahlwerke sind auf der
dem Rhein entgegengesetzten Seite der Stadt
geplant, und so wird es nicht lange dauern,
bis die sogenannte »schwere« Industrie, der
alteingesessenen feinen Industrie des Seiden-
fadens die Wage halten wird.

Von mehr als einem Gesichtspunkte aus
ist aber zu wünschen, dass mit den neuen
Unternehmungen auch das alte Gewerbe er-
starke. Gerade der Kunstfreund wird diese
Hoffnung hegen. Denn die auf reicher Er-
fahrung und vielen Vorbedingungen be-
ruhende Erzeugung der glänzenden Seiden-
gewebe und ihren farbigen Mustern erfordert
nicht nur ein grosses Maass künstlerischer
Arbeit, sie hat auch in weiten Schichten der
Bevölkerung den Sinn für künstlerisches
Schaffen gehoben, und ihr ist es zum nicht
geringen Theile zuzuschreiben, dass in Krefeld
die Kunst nicht als ein Luxus, sondern als
ein Bedürfniss betrachtet wird, und, vor
allen Dingen, dass man dem Neuen, Unge-
wohnten nicht so ablehnend gegenübersteht,
wie in anderen gewerbereichen Städten.

So fand auch die neuzeitige Bewegung

1900. ix. 1.
 
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