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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 7.1900

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Schölermann, Wilhelm: Aus Schleswig-Holstein: Vergangenes und Werdendes in Kunst und Kunst-Handwerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.6699#0340

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3o8

Wilhelm Schölermann—Kiel: Aus Schleswig-Holstein.

Aus Schleswig ȧottfein.

Vergangenes und Werdendes in Kunff und KunltHandwerk.

as Schicksal und die histo-
rische Aufgabe eines Volkes
wird durch die geographische
Lage seiner Heimath be-
stimmt: Diese neuzeitliche
Auffassung der Geschichts-
wissenschaft gilt wohl nir-
gends mit grösserer Berechtigung als für
Schleswig - Holstein, dieses meerumspülte
Bruderland zwischen Elbe und Eider, zwischen
den Föhrden der Ostsee und den nord-
friesischen Inseln, das jetzt »up ewig un-
gedeelt« dem alten Preussen-Staate und damit
dem neuen Reiche angegliedert ist. Es war
alter niederdeutscher Kulturboden, der hier
wiedergewonnen wurde. Seit Karl dem
Grossen bis auf unsere Tage ist um die
norddeutsche Grenzmark gestritten worden.
Ihr fruchtbarer, sanft wellenartiger Boden
zieht sich, von zahlreichen Hecken und
Knicks unterbrochen, von der Ostküste über
den mageren Höhenrücken der Geest in
langen Linien, welche dem seekundigen
Auge gleich mächtigen Ozean-Wogen
erscheinen nach Südwesten gegen die
fetten Elb - Marschen hin und
läuft nach der Nordsee zu
in die flachere, den Winter-
stürmen unseres Miss-Ver-
gnügens sehr ausgesetzten

FR. ERLER—MÜNCHEN. Sessel aus dem Musik - Zimmer.

Schlamm-, Schlick- und Watten - Inseln der
viel heimgesuchten friesischen Halligen aus.

Dieses vielumstrittene Land hat selten
den Segen dauernd friedlicher Kultur-Ent-
wickelung genossen. Im Laufe der Jahr-
hunderte hat es eine Fehde - Chronik er-
halten, die schwer zu übertreffen sein dürfte!
Es kann darum kaum Wunder nehmen, dass
in Schleswig - Holstein die freie Eigenart
eines heimischen Kunstschaffens und Kunst-
gewerbes nur in wenigen begünstigten
Fällen zur vollen Entfaltung zu gelangen
vermochte. Dennoch zeigen diese Aus-
nahmefälle eine Kraft, Selbständigkeit und
Tüchtigkeit — vorzugsweise gerade im
Kunsthandwerk, mehr als in der Malerei —
welche den Vergleich mit dem Besten, was
mitteldeutsches Kunstschaffen in früheren
Zeiten geleistet hat, nicht zu scheuen brauchen.
Ich will an dieser Stelle keinen historischen
Rückblick »entrollen«, keine kritische Analyse
des grossen Brüggemann, des in seiner Art
kaum weniger grossen Gudewerth — ins-
besondere für die heimathliche, volksthüm-
liche Empfindung — oder anderer Meister
der Holzplastik, Eisenschmiede- und Silber-
draht-Arbeit, welche die Altäre ihrer Stadt-
und selbst kleineren Dorf-Kirchen mit
Werken ersten Ranges geschmückt haben.
Ich kann auf die bürgerlichen Gebrauchs-
Gegenstände aus der Renaissance- und be-
ginnenden Barock - Zeit, oder auf die tüch-
tigen, werthvollen Porzellan-Erzeugnisse und
Fayencen aus dem Rokoko nicht näher ein-
gehen, sondern nur auf diese Thatsachen
hinweisen, vor allem aber auf das Selb-
ständige dieser Erzeugnisse des Handwerks
als Zeugen für die künstlerischen Neigungen
und Anlagen der schleswig-holsteinischen
Bevölkerung. Auch die Bauern- und Fischer-
kunst an der Westküste ist reich an bilden-
der Kraft gewesen, wobei fast durchweg
die Holzplastik, das gute ehrliche harte Holz,
das so gar keine oberflächliche Spielerei
duldet, zum Ausdrucksmittel des inneren
Schauens und urwüchsigen Empfindens wurde.
 
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