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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 10.1902

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Schur, Ernst: Renaissance - ein Programm für die Zukunft deutschen Lebens
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https://doi.org/10.11588/diglit.6695#0154
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Ernst Schur—München:

HERMANN BILLING —KARLSRUHE.

DIE HOF-APOTHEKE. (FENSTER-PARTTE.)

Renciiffcmce — ein Programm für die Zukunft deutfchen Lebens,

P ir stehen — so sagt man —
mitten in einer kunstgewerb-
lichen Bewegung! Noch vor
einigen Jahren war diese Be-
hauptung nur gut gemeint und
es war nicht schwer, nachzuweisen, dass
diese anscheinende »Bewegung« nur ein
Import des Auslandes war und ganz und
gar einer volklichen Grundlage entbehrte.
Vielmehr waren es Künstler und Kunst-
Schriftsteller, die ihr Weg in's Ausland
geführt, die dort Dinge gesehen, die bei
uns nicht zu sehen waren und von denen
sie uns nun begeistert erzählten. Es sollte,
es musste bei uns nun etwas Ähnliches
geben. In dem seltsamen Durcheinander,
das nun bei uns anhub, gab es allerlei Nach-
ahmung und Originalität, Falschheit und
Echtheit zu beobachten, wie es natürlich
war, wenn etwas Neues so aus heiterem
Himmel in ein ruhiges Land fällt.

Deutschland hatte aus irgend einem
Grunde nicht mitgethan. Es hatte keine
Sehnsucht danach. Man wollte gar nicht

mitgehen, man wollte nicht sehen, wie anders-
wo mit einem Male so viele, neue Wünsche
erwachten, wie viel neue Fähigkeiten sich
regten. Es fühlte sich befriedigt in sicherem
Besitz. Hermetisch schloss man sich gegen
alles Neue ab. Man zog einen Zaun um
das Land, lernte, für sich allein zu existieren,
schlief. Da man nicht Säfte genug hatte,
die ein neues Treiben der eigenen Kräfte
hätten erzeugen können, war die Folge eine
nationale Dumpfheit, die zufrieden war, wenn
die Gefühle nicht erschüttert wurden. Die
einfache, blosse Existenz wurde zur Haupt-
sache, obgleich Deutschland die Möglichkeit
hatte, an eigene künstlerische Traditionen
anzuknüpfen. Nein ■—• man wollte nicht;
es war einfach keine Lust da, auf diesem
Gebiet zu ringen und zu streben. Nun —
die Künstler und Kunst-Schriftsteller waren
ihrerseits nicht faul. Immer stärker pochte
das Neue; »Thür auf« — wurde immer
energischer gerufen. Der Damm brach
schliesslich, musste brechen. Der Eingang
war gewaltsam gebahnt — nun stand man
 
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