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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 10.1902

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Abels, Ludwig W.: Ein Wiener Kunst-Jahr
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https://doi.org/10.11588/diglit.6695#0180
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Dr. Ludwig Abels: Ein Wiener Kunst-Jahr.

463

Gin Wiener Kunff=3ahr,

Das Leben in Wien gewinnt von Jahr
zu Jahr an künstlerischem Gehalt.
Trotzdem ist Wien keine »Kunst-
Stadt« in dem Sinne wie etwa München,
das ja hauptsächlich den dort schaffenden
Künstlern und den Vorzügen seiner Kunst-
Schulen sein Renommee verdankt. Für eine
derartige Rolle hat die österreichische Kaiser-
Stadt zu viele praktische Sorgen, zu viele
politische Lasten. Zutreffender wäre ein Ver-
gleich mit Paris, natürlich in gebührendem
Abstand. Denn die glückliche Begabung des
Volksstammes an der Donau hat unter dem
mächtigen Einfluss der. modernen Kunst-
Bewegung sich so über-
raschend entwickelt, dass
heute bereits sämtliche Ge-
sellschafts - Kreise mit be-
sonderer Vorliebe künstle-
rische Interessen pflegen.

— Wer die Öde der
Wiener Künstlerhaus- und
Museums - Ausstellungen
noch vor sechs, sieben
Jahren durchgekostet hat,
wird den gewaltigen Um-
schwung der Verhältnisse
mit freudiger Überraschung
wahrnehmen. Freilich lässt
sich für die Zukunft noch
immer keine sichere Hoff-
nung fassen. Schweben
doch gleich Gewitterwolken
die sprachlichen, konfessio-
nellen und sozialen Wirren
über dem einst »felix
Austria« genannten Lande.

— Die künstlerischen Ar-
beiten des letzten Jahres
zeugen von einer stetigen
Weiter - Entwickelun g der
Talente und von einer
Festigung der gesamten
Kunst-Bewegung. Das un-
ruhige Suchen nach Tech-
niken, die man an fremden
Meistern bemerkt hat, tritt
immer mehr zurück gegen

das Streben, sich auf die persönliche und lokale
Eigenart zu besinnen. Zwar fährt die Ver-
einigung »Sezession« fort, in überaus ver-
dienstlicher Weise die besten Vorbilder des
Auslandes in ihren Ausstellungen vorzuführen
und so die Bevölkerung und die ansässigen
Künstler auf einer internationalen Höhe zu
erhalten. So begann sie den Winter mit
einer Vorführung nordischer Kunst, meist
russischer und finnischer Maler, Ssomoff,
Korowine, Axel Galen u. a. Auch Toorop
war durch eine reichhaltige Auswahl ver-
treten, und so sehr die Witzbolde bei solchen
Anlässen ihr »Sollst und Musst«-Handwerk
treiben, so wächst doch die Fähigkeit
des Publikums, die Freiheit künstlerischen

ARCHITK.KI" KRASN V—WIEN.

Treppen-Haus der Villa König.

1902. IX. 7.
 
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