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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 11.1902

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Die Japanische Abteilung auf der Turiner Ausstellung 1902
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https://doi.org/10.11588/diglit.6694#0260

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Die Scipcinifche Abteilung auf der Muriner Ausheilung 1902.

Die japanische Abteilung machte den
Eindruck, als ob sie mehr durch Zu-
fall, als durch planmäßiges Sammeln
zustande gekommen sei. Es befanden sich
jedoch einzelne Stücke darunter, die an die
beispiellose Kunstfertigkeit, die noch von der
grossen Tradition Japans her verblieben ist,
erinnerten. Namentlich gilt das von den
teilweise wunderbar lebensvollen Tier-Gruppen
aus Bronze von Jakao in Osaka u. a., sowie
von einzelnen der prächtigen Paravents,
welche das Haus Jognacca e Gig Ho Tos-
Turin, das wohl überhaupt diese Abteilung
mehr oder weniger aus seinen Beständen
gebildet hatte, hier vorführte. Bei den
Paravents von Beuten & Dornet sind nament-
lich die üppigen Stickereien beachtenswert.
Im übrigen konnte man sich der Mutmaßung
kaum erwehren, dass hier jene bekannte
»Export-Kunst« überwog, welche die ge-
schäftsklugen Japaner speziell für den
europäischen Geschmack fabrizieren. Sie
haben keine sehr hohe Meinung von diesem
europäischen Geschmack — das ist bekannt —
und so sind auch die Arbeiten, die sie
darauf berechnen, keineswegs die Blüte ihres
Schaffens. Zu den reizvollsten und echtesten
Dingen der ganzen Abteilung gehörten jeden-
falls die geflochtenen Matten von Kyushu

und die entzückenden Körbe von Settsu
und von Shidzuoka. In diesen einfachen,
unscheinbaren Geflechten war mehr »Japan«
als in dem Prunk so mancher Gegenstände,
die den Stempel der Export-Industrie nur
allzu unverkennbar vor Augen hielten. Wir
wollen aber einen grossen Vorzug des
japanischen Kunstgewerbes nicht unerwähnt
lassen: es ist billig; sogar der europäische
Ausstellungs - Käufer, der doch so und
so viele Zwischen - Händler - Gewinne mit
zu tragen hat, merkt das noch. In Japan
selbst setzen uns die geringen Preise
oft in Erstaunen. Aber wir wundern uns
dafür auch nicht mehr darüber, dass sich
dort die Gewerbe - Künste zu einer durch
Jahrhunderte währenden, allen Volks-Kreisen
zugute kommenden Blüte entwickeln konnten.
Darüber sollte man bei uns etwas mehr nach-
denken! Unsere Kultur-Verhältnisse, die
vor allem viel höhere Löhne fordern, verhin-
dern uns die Wege zu beschreiten, welche
einst die Japaner einschlugen. Bei uns
wird es auf die Fabrikations-Methoden an-
kommen und vor allem darauf, dass die
Kunst Gemeingut der höheren Fein-Industrie
werde. Die Turiner Ausstellung hat aber-
mals gelehrt, dass hiervon die Zukunft der
angewandten Kunst wesentlich abhängig ist.

1903. v. s.
 
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