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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 13.1903-1904

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Vollmar, H.: René Lalique - Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.7008#0184

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172

H. Vollmar—Berlin:

Welke Blätter, in deren Falten Tau-Tropfen
leuchten, ein Engel-Paar, welches neben
einer Schale knieend, seine Fittige herab-
senkt; ein anderer Himmels-Bote, der ein
leuchtendes Herz an die Brust drückend,
siegend auf dem Haupt eines Faun steht;
eine gehörnte Maske mit weit geöffnetem
Mund, die Hörner selbst laufen in Menschen-
Paaren aus, welche mit verschlungenen Hän-
den den Reigen tanzen. Ein anderer Kamm
mit den gefiederten Blättern der Akazien
und Samen-Körnern in Gestalt länglicher
Barock-Perlen, dann wieder ein Trio schlanker
Mädchen - Gestalten, die im Wasser ihr
neckisches Spiel treiben, Rosa-Anemonen,
die aus dichtem grünen Blüten-Kranz auf-
ragen , daneben ein Elfenbein - Relief mit
lustigen Nixen, welches Delphinen, die ein
Kleinod aus der feuchten Tiefe holen, um-
geben — Die reiche Schatz - Kammer der
Natur liefert ihm unaufhörlich Neues, eine
Wiederholung ist bei Lalique von vornherein
ausgeschlossen. Aus Disteln fügt er ein
Armband, dessen Farben - Reiz nicht zu
schildern ist, die unscheinbare Reseda reiht
er zu einer Guirlande, die ebenso naturwahr
ist, wie die lange Kette aus den Blüten
der wohlriechenden Wicke. Das translucide
Email lässt all diese Blüten wie lebendig
erscheinen; von dem matt violett gefärbten
Horn, aus dem er das Diadem von Alpen-
veilchen mit den schimmernden Brillanten-
Kelchen schnitzt, gilt das Gleiche — die
Schwere des Materials ist hier in dieser
anmutigen Schöpfung aufs sieghafteste über-
wunden. Wie regenschwer hängen die
violetten Tannen-Zapfen der Konifere herab,
unter deren Zweige eine Bretagner Bäuerin
ausruhend sitzt. Von violetten Glycinien
sind die schlanken Pfeiler umrankt, aus
denen braungelbe mexikanische Opale auf-
leuchten, und zwischen diesen lieblichen Natur-
Säulen lehnt auf opalgeschmückten Piedestal
eine zartgliederige Frauen-Gestalt, ihre Um-
risse und ihre Farbe: Alt-Elfenbein, ordnen
sich wundervoll in die Blüten-Pracht ein.

Wald, Feld und Wasser mit Dryaden
und Nymphen zu bevölkern, das ist dem
Dichter Lalique selbstverständlich. So wurde
er, durch die Meister der italienischen

Renaissance begeistert, zum Bildhauer;
seine Helden und Heldinnen stellen hier
in Fein-Gold als Ring das von Blüten-
Bäumen umschlossene Menschen - Paar dar,
dort als Anhänger die mit der Pflanzen-
Welt eng verwachsenen Dryaden, dann
wieder die im Gedörn kämpfenden Erd-
Geborenen. Auch jener vor Jahren ge-
schaffene Schmuck, mit dem Blick in das
Waldes-Dickicht nach dem Kampf, gehört
in dieses Gebiet seines Schaffens. Der Sieg
ist errungen, die Leiber der Helden liegen,
vom Schild gedeckt, am Boden, aber gleich
köstlichen farbensatten Blumen leuchtet die
Schild-Zier mit ihren Edelsteinen durch den
grünen Tann. Dann wieder lockt es Lalique,
in dem Zeitalter der Renaissance unter-
zutauchen, herrliche Amethyste geben ihm
den Impuls, er schafft durchaus frei in strengen
Konturen eine herrliche Umrahmung für das
armlose Götter-Bild — jede Linie trägt
dabei das Ihre zur wohllautenden Farben-
Sinfonie bei. Die karakteristische Silhouette
der Hähne fügt er, indem er dem Farben-
Schmelz dieser stattlichen Haus-Tiere durchaus
gerecht wird, mit beerentragendem Gezweig
zu einem Anhänger von wunderbarem Spiel
der Linien. Dann wieder krönt er in einer
Nische Frauen - Köpfe, deren Blick Ruhm
und Glück ersehnt, mit verheissungsvoll
blühendem Lorbeer.

Die Seele des Künstlers ist allenthalben
zu spüren, sie spannt immer von neuem
ihre Schwingen zu siegreichem Fluge aus,
sie ist überall daheim, wo sie daheim sein
will, ihr gilt jede Aufgabe des Lebens als
Gelegenheit zu neuer Betätigung ernster
Kunst. Welche feinsinnigen Schirm - Griffe
stammen von Lalique, wie wunderbar zweck-
entsprechend sind die Flächen-Ornamente
seiner Uhr-Deckel!

Das, was ein Moreau nur mühsam und
oft mit störendem Zuviel auf die Leinwand
brachte, die träumerische, gleissende Pracht
orientalischen Schmuckes, wie ihn eine
Salome, Salambo oder Kleopatra trug, hat
Lalique in seinem Schlangen - Knoten zur
sieghaftesten Ercheinung zu bringen gewusst.
Das dekorativste aller Tiere, die Schlange,
hat er in neun blau-grün schillernden Exem-
 
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