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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 13.1903-1904

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Jaumann, Anton: Die Zukunft der Historien-Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.7008#0359

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34«

Die Zukunft der fiisforien=HIalerei,

VON A. JAUMANN—MÜNCHEN.

Die Historien-Malerei hat seit geraumer
Zeit aufgehört, mit der Entwickelung
der übrigen Malerei gleichen Schritt
zu halten. Das ganze Interesse derer, welche
produzierend oder geniessend mit der Kunst
zu tun hatten, wandte sich andern Gebieten
zu, wo wirkliches Leben pulsierte, wo neue
Probleme gestellt und neue Lösungen ge-
funden wurden. Während Pleinairismus und
Impressionismus blühten, und Feld und Wald,
Dörfer, Bauern und Vieh von allen Seiten,
zu jeder Tages- und Jahreszeit und bei jedem
denkbaren Wetter gemalt wurden, und das
unbedeutendste Nest seinen Entdecker be-
kam, lag die Historie abseits; ihr widmete
sich kein Talent, sie wurde gemieden, wie
eine verrufene Ruine. Was ist wohl daran
schuld? Vielleicht der Mangel an Aufträgen?
Das wäre schon möglich; denn während
anderes aus reiner Freude am Schönen, aus
innerem Drang oder Lust an Problemen ge-
malt werden mag, Historien-Bilder werden
entweder bestellt und bezahlt, oder es werden
überhaupt keine gemacht. Nun aber ist die
Vergebung solcher Aufträge zur Zeit nicht
Mode, wie etwa die Errichtung von Brunnen
oder Bismarck-Säulen. Das erklärt alles,
könnte der voreilige Schluss lauten. Allein,
gilt nicht auch das Umgekehrte, dass, weil
wir keine Historien-Maler haben, auch nie-
mand Bilder bei ihnen bestellt? Die beiden
Umstände bedingen sich eben wechselseitig,
wie das ja häufig der Fall ist.

Man darf auch nicht übersehen, dass
dieses Gebiet für den Künstler, der nicht
willens ist, seine Überzeugung zu verleugnen,
ein sehr heikles ist, weil er sich da in Ab-
hängigkeit begibt von oft recht unverstän-
digen Auftraggebern, die den armen Kerl
ihre materielle Überlegenheit und seine in-
feriore Stellung ziemlich brutal fühlen lassen.

Die Historien-Malerei kann man viel-
leicht trennen in eine solche, die vergangene,
und eine, die Ereignisse der Geschichte der
Gegenwart zum Vorwurf hat. Viele der
historischen Bilder aus früheren Epochen

waren ja auch nichts anderes als Darstel-
lungen zeitgenössischer Begebenheiten und
erscheinen erst uns, den Epigonen, als Ge-
schichte. Nun wird freilich bei uns auch
das kleinste Begebnis so oft fotografiert und
illustriert und in allen möglichen Techniken
reproduziert, dass nachfolgende Generationen
unsere Zeit so klar und vollständig vor sich
sehen werden, wie das von keiner früheren
möglich ist. Und damit, könnte man glau-
ben, wird die Historien-Malerei, soweit sie
sich mit der Darstellung gleichzeitiger Er-
eignisse befasst, überflüssig. Es wäre so,
wenn wir uns mit solch einer unkünstlerischen
und deshalb notwendig äusserlichen Über-
lieferung begnügen wollten; und wenn nicht
die Historien-Malerei vorwiegend eine monu-
mentale wäre, d. h. zur würdigen Aus-
schmückung grosser Wand-Flächen diente.
Diese ihre Bedeutung als angewandte Kunst
ist es, welche sie am sichersten vor dem
Aussterben bewahren, vielleicht sogar zu
einer neuen Blüte führen wird. Denn es
leuchtet ein, dass für prächtige Repräsen-
tations-Räume in Gebäuden von grosser
staatlicher oder gemeindlicher Wichtigkeit
die Darstellung eines Bauern am Pflug oder
eines Vorfrühlings-Tages als zu kleinlich er-
scheinen und auch der Vorwurf des Bildes
von einer gewissen Bedeutung und Beziehung
auf das Staats- oder Gemeindeleben sein
muss. Doch man sagt ja, unsere Zeit wäre
zu unmalerisch, um dem Maler dankbare
Motive zu bieten. Historische Momente von
der Art, dass die innere Bedeutung sich
wiederspiegelt in der äusseren Erscheinung,
kämen jetzt, wo die einschneidendsten Staats-
aktionen mit Papier und Feder, per Telegraf
oder Telefon erledigt würden, gar nicht mehr
vor. Das Leben hätte sich zu sehr ver-
geistigt und nach innen gekehrt. Nachdem
aber der Maler nur das sinnenfällige Leben
festhalten könne, wäre ihm mit der Reser-
viertheit unseres Benehmens, mit der Farb-
losigkeit der Tracht usw. das Wasser abge-
graben, und es bliebe ihm nichts anderes
 
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