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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 13.1903-1904

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Jaumann, Anton: Die Zukunft der Historien-Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.7008#0360

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A. Jaumann—München: Die Zukunft der Historien-Malerei.

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übrig, als Bauern zu malen und Vieh und
Wälder und Berge, die heute noch gleich
Malerisch seien wie vor vielen hundert Jahren.
Unsere Dekadenten könnten höchstens den
Gegenstand von Karikaturen bilden, wie ja
das Blühen unserer Witzblätter beweise.
Aber gerade das letztere gibt zu denken;
besehen wir uns z. B. die Zeichnungen von
Thöny im Simplizissimus, so finden wir
darunter viele, die mehr den Eindruck eines
Bildes als einer Karikatur machen, und bei
'hren hohen künstlerischen Qualitäten den
Beweis liefern, dass unsere so verschrieene
Kultur doch auch malerische Aspekte bietet,
wenn nur einer Augen hat, sie zu entdecken,
^an darf freilich nicht erwarten, dass die
Moderne Historien-Malerei, wenn sie kommt,
woran ich fest glaube, das nämliche Gesicht
tragen werde, wie die früherer Epochen:
B"as Lichtmeer einer modernen Stadt, eine
v°n rauchgeschwärztem Eisen starrende Bahn-
hofs-Halle, sie werden andere Bilder ergeben
als die spezifisch »malerisch« genannten
Burgen und Türmchen des Mittelalters.

Aber nicht nur der Vorwurf wird dieses
verschiedene Aussehen bedingen, die Aus-
führung selbst wird eine moderne sein
Füssen, eine Anwendung der grossen Er-
rungenschaften, welche die Malerei im letzten
halben Jahrhundert gemacht. Ich würde es
Sogar für verfehlt halten, wenn die moderne
^Talweise nicht auch bei Gegenständen an-
gewandt würden, die historischen Zeiten an-
gehören. Die Versuchung liegt ja, zumal
bei unserer Fertigkeit im stilechten Restau-
rieren, nahe, falls etwa ein Vorgang aus dem
l0- oder 17. Jahrhundert darzustellen ist,
dafür den Stil jener Zeit zu wählen. Aber
haben die damaligen Meister selbst sich je
Urri solche Überlegungen gekümmert? Und
Welche sonderbaren Konsequenzen ergäben
Slch daraus für andere Zeitalter!

Die uns vorschwebende Historien-Malerei
der Zukunft müsste also in technisher Hin-
Slcht durchaus auf der Höhe der übrigen
Malerei stehen. Jedoch ist dabei noch auf
Verschiedenes zu achten. Nachdem die Farbe
Jetzt eine so hohe Bedeutung gewonnen hat,
Wollen wir mit ihr beginnen.

Es ist wichtig und notwendig, dass die

farbige Erscheinung eines Bildes eine gewisse
innere Beziehung habe zu dessen Inhalt.
Namentlich kommt dies bei grossen Wand-
Gemälden sehr in Betracht. Das feurige
Rot würde sich z. B. nicht zur Darstellung
eines Abschiedes eignen und das stille Blau
nicht für eine Hochzeits-Feier. Jede Farbe
hat ihren besonderen Karakter und wird
nur bei Vorwürfen von ähnlichem Karakter
dominieren dürfen. Bald wird grössere, bald
geringere Buntheit am Platze sein, ein Gegen-
stand wird eine kräftige und brutale Be-
handlung erheischen, ein anderer die feinste
und zarteste. Primitiven Zuständen ent-
sprechen einfache Farben, komplizierteren
Kulturen reichere Durcharbeitung mit allen
Farben - Nuancen und Valeurs. Die durch
Farben-Zusammenstellung erzeugte Stimmung
muss mit dem Stimmungs- Gehalt des Vor-
wurfes korrespondieren, oder es ist unaus-
bleiblich, dass sich beide entgegenarbeiten
und sich wechselseitig zerstören. Wir können
sagen, jede Zeit, jede Kultur, jedes Ereignis
hat seine besondere Gefühls-Farbe in unserer
Vorstellung, und diese soll die farbige Er-
scheinung des Bildes zum Ausdruck bringen,
mag die historische Genauigkeit in den Zu-
fälligkeiten noch so sehr vernachlässigt sein.
Wir haben dann eben eine höhere Wahr-
heit dafür eingetauscht.

Ähnlich verhält es sich mit dem Licht.
Was sollte es bedeuten, wenn ein Historien-
Maler mit peinlichster Akribie ausgetüpfelt
hätte, welche Beleuchtung an einem gewissen
historisch bedeutsamen Tag auf einem ge-
wissen öffentlichen Platz nachmittags um
3 Uhr herrschte, und sich nun ängstlich
daran hielte? Eine Enthauptung könnte da
vom freundlichsten Sonnenlicht umflossen
sein, der ganze Vorgang würde »in einem
falschen Licht« erscheinen. Die Beleuchtung,
welche einem Ereignis in der Gesamt-Ge-
schichte zukommt, sollte auch für den Maler
bestimmend sein, auf dass er das Freudige
in Licht tauche und das Traurige in Dämme-
rung. Manche Periode der Welt-Geschichte
kann ich mir nur in einem ungewissen Zwie-
licht vorstellen. Wie etwa die Zeit der
Konstantine, wo von einer Seite das auf-
gehende Christentum die Welt mit mildem
 
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