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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 14.1904

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Hirschwald, Hermann: Welcher Gegenstand ist kunstgewerblich?, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7009#0064

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4i5

Welcher Gegenstand ist kunstgewerblich?

I. Veröffentlichung der eingelaufenen Antworten.

2U diesem im Januar-Heft unserer Zeitschrift
behandelten Artikel liegen uns eine grosse
Anzahl wertvoller Zuschriften vor, mit deren Ver-
öffentlichung wir nun beginnen. Wir möchten
vorweg bemerken, dass bisher die meisten Äusse-
rungen sich auf den Schutz »des gewerblichen
Eigentums« beziehen, während von Herrn Hirsch-
wald die Frage in bezug auf alle wirtschaft-
lichen bezw. rechtlichen Verhältnisse gestellt
war (also auch Ausstellungs-Wesen, Handels-
Verträge, Rechts-Wesen u. a.). —

Viele massgebende Tages-Zeitungen Deutsch-
lands haben sich ebenfalls unter Abdruck des
Artikels mit dieser Frage beschäftigt, und geben
wir aus deren Abhandlungen nur folgende kurze
Auszüge:

Die »Kölnische Zeitung« schreibt: ». . . Am
brauchbarsten möchte der dritte Leitsatz er-
scheinen. Der Hauptsache nach erstreckt sich
das Kunstgewerbe auf zwei Gruppen von Gegen-
ständen, auf Gebrauchsgegenstände und Luxus-
artikel. Für erstere Hesse sich wohl der allgemeine
Leitsatz aufstellen, dass ein Gegenstand als kunst-
gewerblich zu betrachten ist, wenn er über den
nackten Gebrauchszweck hinaus durch Form oder
Farbe in künstlerischer Weise veredelt ist. Ausser-
dem gilt für solche Gegenstände wie auch für
Luxusartikel der dritte Hirschwald'sche Leitsatz
ganz allgemein. Wenn über eine grosse Anzahl
von Gegenständen schon bei oberflächlicher Be-
trachtung kein Zweifel entstehen wird, ob hier
e'ne kunstgewerbliche Leistung oder eine rein
gewerbliche vorliegt, so werden, je näher die
Gegenstände an der Grenze stehen, wo Kunst-
gewerbe und Gewerbe ineinander übergehen, die
Meinungsverschiedenheiten wachsen und diese
Grenzstreitigkeiten werden nicht durch Leitsätze
aus der Welt geschafft, sie müssen stets von Fall
zu Fall entschieden werden. Man denke nur an
die verschiedenen naheliegenden Gewerbe, der
Tischlerei, der Schlosserei, der Töpferei u. a.
und frage sich, wann wird ein Gebrauchsmöbel,
e>n Stuhl oder Tisch , ein Beschlag, ein Gefäss
zum kunstgewerblichen Gegenstand, und sofort
Wird «die Meinungsverschiedenheit eintreten, be-
einflusst durch Gewohnheit, Geschmack und
Herkommen.1] f Welcher Scharfsinn wird nicht
beispielsweise auf einem andern Gebiete ent-
wickelt zur Feststellung der Merkmale zwischen
dem Handwerksbetrieb und der Fabrik? Trotz
aller der zahlreichen und allgemein anerkannten
Grundsätze hierüber entstehen täglich neue
W idersprüche da, wo beide Betriebsarten einander
ähnlich werden, an der Grenze, und in oberster
Instanz hat vielfach der Minister das entscheidende
Wort zu fällen, ohne dass hierdurch eine wirklich

befriedigende Lösung erreicht werden kann.
Ahnlich wird es auch bei der vorliegenden Frage :
welcher Gegenstand kunstgewerblich ist, sich
gestalten; es werden ohne Zweifel viele geist-
reiche und interessante Anschauungen mitgeteilt
werden, und wenn es auch gelingen wird, einige
zutreffende und überzeugende Leitsätze aufzu-
stellen , so werden hierdurch wohl ästhetische
und praktische Gesichtspunkte für Beurteilung
der Gegenstände in den Vordergrund gerückt
werden. Die Schwierigkeiten, die aber stets
dann entstehen, wenn es sich um die Lösung
der Frage, ob diesseits oder jenseits der Grenze,
handelt, werden nie aus der Welt zu schaffen
sein, und hierfür allein sind die Sachverständigen
zur Entscheidung anzurufen, nicht aber bei Dingen ,
von welchen nach allgemeinem Urteil und Über-
einkommen feststeht, ob sie als kunstgewerbliche
oder rein gewerbliche Leistungen zu betrachten
sind. Es wird daher unseres Erachtens ein
Ding der Unmöglichkeit sein, dem Wunsch des
Verfassers zu entsprechen, wonach recht weit
auszuholen sei, um den Begriff der kunstgewerb-
lichen Eigenschaft für eine lange Zukunft zu
decken. Die Grenzgebiete werden immer der
Kampfplatz bleiben, wo im einzelnen Falle die
Entscheidungen zu treffen sind.«

In gleichem Sinne äussern sich die »Nord-
deutsche Allgemeine Zeitung«, die »Post«, »Ham-
burger Nachrichten«, »Strassburger Post« u. v. a.

Von einer langen Reihe unserer Museums-
Direktoren und massgebenden Kunst-Schriftsteller
ist, teilweise unter Anerkennung der Wichtigkeit
dieses Gegenstandes, die Beantwortung aus Mangel
an Zeit abgelehnt worden; u. a. schreibt:

Prof. Luthmer—Frankfurt a. M.: ». . Die
Beantwortung dieser Frage ist eine so enorm-
schwierige Aufgabe, dass ich schon sehr oft
den Wunsch gehabt habe, das Wort »Kunst-
gewerbe« wieder aus unserem Sprachschatz aus-
geschieden zu sehen!«

Dr. H. Muthesius—Berlin: ». . . .Ich bin

sehr gespannt auf das schätzbare Material, was
dabei herauskommen wird und hoffe, dass Ihre
Bemühungen zur Klärung der Frage beitragen
werden.«

Reg.-Rat Noack—Darmstadt: ». . . . Der

Aufsatz in der »Kölnischen Zeitung« leuchtet mir
ein und wüsste ich selbst den dort entwickelten
Betrachtungen kaum etwas hinzuzufügen.«

W. v. Seidlitz—Dresden schreibt: »Eine
Unterscheidung, wonach gewisse Gegenstände als
Erzeugnisse des Kunstgewerbes, andere als Erzeug-
nisse des Handwerks oder der Industrie anzusehen
seien, lässt sich nicht aufstellen, da es in jedem
 
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