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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 14.1904

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Jaumann, Anton: Die Gesetze des Mosaiks, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7009#0106

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457

Die Gesetje

Wir wollen hier nicht von den tech-
nischen Vorschriften sprechen, an
die man bei der Herstellung von Mosaik
S1ch halten muss, sondern von Gesetzen für
den Künstler, der für Mosaik entwirft.

So heftig sich auch die geniale Künstler-
natur gegen jeden Zwang, gegen jede Vor-
schrift sträuben mag, die sein freies Erfinden
ln Schranken weist, so bleibt doch die Tat-
sache unumstösslich, dass es solche Gesetze
gibt; es gibt in der Kunst Kriterien für
richtig und falsch, für gut und schlecht. In
der Regel werden diese Gesetze nicht be-
Wusst, sondern mehr instinktiv befolgt, dem
echten Künstler verleiht hierfür sein Gefühl
eine gewisse Sicherheit. Ihr Vorhandensein
melden diese Gesetze aber für jedermann
sehr fühlbar und sicher an, sobald sie miss-
achtet wurden. Vor solch einem fehlerhaften
Werk, sei es in anderer Hinsicht noch so
vollendet, sind wir doch nicht befriedigt;
wir stossen uns an etwas, in uns bäumt sich
etwas dagegen auf, unser Gefühl wird be-
leidigt oder wie man sonst dieses Miss-
behagen ausdrücken mag. Wenn nun diese
Gesetze so wichtig sind, dann dürfte es, wo
dies noch nicht geschehen, nicht überflüssig
sein, sie einmal zu präzisieren und zu for-
mulieren; dazu aber genügt nicht das Gefühl,
es bedarf der Überlegung.

Unter den Gesetzen nun, die auf Mosaik
ßezug haben, sind solche, die für die Kunst
im allgemeinen gelten und solche, die mehr
oder weniger gerade dieser Technik eigen-
tümlich sind. In allgemeiner Hinsicht sei
nur hervorgehoben, dass wir es hier mit
Flächenkunst zu tun haben, d. h. es werden
durch Mosaik nicht körperhafte Gebilde er-
zeugt, sondern flächenhafte, solche, die eine
Ausdehnung nur nach Länge und Breite
haben, denn obwohl das Mosaik aus einzelnen
kleinen Körperchen, Stein- oder Glaswürfeln
zuzammengesetzt wird, so entsteht daraus
doch nicht ein grosser Körper, sondern,
mdem nur je eine Seite jedes Würfels sicht-
bar bleibt, und diese Teilflächen in einer
Richtung nebeneinander zu liegen kommen,
eine grosse Fläche. Das Mosaik kann also

1904. VI1L 0.

des ülosaiks.

keine plastischen Werte vermitteln, es kann
nicht wirken durch das Vor und Zurück der
Form, durch Modellierung der Oberfläche.
Es gibt da auch kein Über- und Unterein-
ander, sondern nur ein Nebeneinander. Von
vornherein muss darum Verzicht geleistet
werden auf Wirkungen, die auf Ausdehnung
in drei Dimensionen beruhen. Wir sind
gehalten, >hübsch brav« in der Fläche zu
bleiben, reine Flächenkunst zu machen und
nach denjenigen Schönheiten uns umzusehen,
welche ihr eigen sind. Es ist bekannt, dass
die Errungenschaften der bildenden Kunst
unserer Zeit gerade auf diesem Gebiete liegen.
Malerei und Zeichnung haben sich auf ihre
Elemente, Farben und Formen in flächen-
haftem Nebeneinander, besonnen und durch
konsequentes Pesthalten und Weiterpflegen
des richtigen Gedankens die Flächenkunst
sozusagen ganz neu erstehen lassen. Man
setzt Farbe an Farbe, man wiegt die Masse
der Flecken gegeneinander ab, feinste Em-
pfindungen lernt man in Linien zu legen und
all die Einzelheiten zu einer guten Bild-
wirkung zusammenzufassen. Gerade darauf
kommt es auch beim Mosaik an. Die Haupt-
prinzipien sind, im einzelnen vielleicht etwas
modifiziert, im ganzen doch die gleichen wie
bei der gesamten Flächenkunst. Es ist die-
selbe Sprache. Und in eben diese Sprache
müssen die etwa wiederzugebenden Natur-
objekte übersetzt werden, wenn sie gemalt,
gezeichnet oder in Mosaik dargestellt werden
sollen. Es darf keine schülerhafte Über-
setzung sein, Wort für Wort und Linie für
Linie, sondern sie muss dem Geist der Sprache
entsprechen, und zwar so, als ob das Be-
treffende in dieser Sprache ersonnen und
zuerst niedergeschrieben worden wäre. Aus
den Naturgebilden sollen Flächengebilde
werden, die in dieser Fläche aus dort wur-
zelnden Kräften entstanden sein können.
Blosse Projektion eines Gegenstandes auf eine
Ebene bringt kein Bild hervor, ist Foto-
grafie, nicht Kunst.

Die allgemeinen Gesetze der Flächen-
kunst will ich aber hier nicht weiter aus-
führen, sondern nur darauf hingewiesen haben.
 
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