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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 15.1904-1905

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Hardenberg, Kuno von: Sascha Schneider auf der Dresdner Kunst-Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7137#0057

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SASCHA SCHNEIDER—WEIMAR.

Erwachte Erkenntnis.

Sascha Schneider auf der Dresdner Kunst-Ausstellung.

VON KUNO GRAF HARDENBERG.

\ ls Sascha Schneider vor zehn Jahren mit
£\_ seinen Kartons zum ersten Male an
die Öffentlichkeit trat, da war des Geredes
kein Ende; einige waren begeistert, viele
entsetzt, aber alle waren gefesselt. Man
fühlte instinktiv, dass man etwas Eigenartiges,
etwas Neues vor sich habe, etwas Dämo-
nisches, das man sich nicht erklären könnte,
das aber dennoch mit suggestiver Kraft
wirkte. Es steckt ja auch in der Tat etwas
Unheimliches hinter diesen Zeichnungen und
bildet ihren düsteren Hintergrund: Der Kampf
eines Menschen mit der Geisterwelt, jener
Kampf, der von der hohen Kunst aller Zeiten
und Völker schon so oft dargestellt worden
ist und immer wieder dargestellt werden
wird, so lange es Menschen gibt mit ge-
waltigen Fantasieen, denen alle die geheim-
nisvollen Mächte des Lebens zu Gestalten
von Fleisch und Blut werden.

Die Geisterwelt ist Schneider nicht ver-
schlossen und es mag wild genug in ihm
hergegangen sein, bevor er in elender Kammer
mit Herzblut seinen Kampf beschrieb. Er
hat sie alle gesehen und mit ihnen gerungen,
wie feurige Seelen ringen, mit dem Geist

1905. I. 7.

der Schwere, jenem entsetzlichen Ungeheuer,
das uns immer wieder höhnisch grinsend
die Ketten unserer Abhängigkeit fühlen
lässt, mit dem wilden Vernichtergeist, der
in tötlichem Selbsthass sich in der Welt zu
vernichten trachtet, mit dem Judasgeist, der
immer wieder seine Silberlinge blitzen lässt
und raunt, dies alles will ich Dir geben,
und mit all den anderen Dämonen, die dem
Starken auflauern. Das Ende des Kampfes
war ein Sieg, und zwar siegte er mit christ-
lichen Waffen. In jenen Tagen, da er, noch
ein Knabe, sich ehrfürchtig vor den Pforten
der Isaakskirche bekreuzigte und dann im
Innern des erhabenen russischen Heiligtums
reiche Nahrung für seine hungrige Fantasie
sammelte, da waren ihm die Heiligen, auf
Goldgrund gemalt, zu lebenden Wesen ge-
worden, die zu ihm sprachen und ihm er-
zählten von Hölle und Tod und den Qualen
der Auserlesenen und ihrem Lohn, und diese
Heiligen blieben auch bei ihm wohnen, als
er längst den Kinderglauben abgestreift, und
sie halfen ihm zum Siege, dessen Krone
seine freie echte Künstlerschaft sein sollte.
Wunderbares Mysterium! ein Heide siegt

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