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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 15.1904-1905

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Zobel, Victor: Johann Vincenz Cissarz
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https://doi.org/10.11588/diglit.7137#0318
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Victor Zobel:

J. V. CISSARZ—DARMSTADT.

Entwurf zu einer Radierung.

letzten Sommer bei der Darmstädter Aus-
stellung gut zu überblicken waren, in geson-
derten Gruppen betrachten.

*

Zuerst die Graphik. Wenn Cissarz auch
bisher wenig auf diesem Gebiete hervor-
getreten ist, so glaube ich doch aus der
ganzen Richtung seines Wesens, aus Plänen,
Ansätzen und zeichnerischen Entwürfen, von
denen hier eine Anzahl wiedergegeben wird,
schliessen zu können, dass auf diesem Felde
durchaus seine Stärke liegt, dass, zunächst
wenigstens, grade die intime Technik der
Graphik ihm das beste Mittel geben wird,
um das, was er in reichem Maße zu sagen
hat, auszusprechen. In diesen Zeichnungen
ist in der Tat alles mit einer selbstverständ-
lichen Sicherheit gegeben, die Form ist voll-
kommen beherrscht, die technischen Mittel
sind, besonders in der Wiedergabe der Farben-
werte meisterlich gehandhabt. Hinter diesen
Blättern steht der Poet, der aus der reichen
Quelle seines Erlebens und seiner Phantasie
schöpft und das Gesehene zu einem ge-

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schlossenen Ganzen verdichtet. Aus allem
spricht der ringende Mensch zu uns, in jedem
Werk tritt uns in einem grossen Zuge das
Ganze des Menschlichen entgegen. Wir
fühlen das Schwingen einer feinen, suchenden
Seele und gehen dem verhaltenen Empfinden
nach, das aus den Formen der menschlichen
Gestalten spricht. Und zugleich nehmen
wir den Frieden und die unangreifbare Ruhe
in uns auf, die sich immer da einstellen, wo
ein ganzer Mensch mit Klarheit die ihn und
uns bewegenden Lebensfragen aufzeigt und
Rechenschaft über sie ablegt.

Wenn auch die wiedergegebenen Entwürfe
die künstlerische Absicht nicht vollständig
zeigen — durch die spätere Ausführung in
der Radiertechnik würde der allgemeine Ein-
druck herber und eindringlicher werden —
so will ich doch an einem Blatte im einzelnen
mit wenigen Worten andeuten, wie ich es
sehe. Nehmen wir die »Nebelsonne« (S. 315).
Hier, wie so oft bei Cissarz, ist es das Meer,
das dem Ganzen die Grundstimmung gibt,
eine still und schweigend daliegende Bucht,
 
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