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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 16.1905

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Widmer, Karl: Zur öffentlichen Kunstpflege
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https://doi.org/10.11588/diglit.8553#0146

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oder was etwa noch an künstlerischer
Produktion geleistet wird (z. B. auf dem
Gebiet der Glasmalerei), schliesst sich als
rein historische Stilrekonstruktion grund-
sätzlich gegen jeden Einfluss der modernen
Kunst ab. Man glaubt der Gegenwart
entbehren zu können. Für jede künstle-
rische Aufgabe des Gottesdienstes ist die
feste sanktioniere Lösung gefunden. Der
Bedarf erscheint überreich gedeckt durch
das Kapital historischer Formen, das die
Vergangenheit hinterlassen hat. Und
anders als der äussersten Not gehorchend,
lässt sich der heutige Katholizismus auf
keine Konzessionen an den Fortschritt
ein, auch in künstlerischen Dingen nicht.
Lieber den Untergang aller Kunst in der
fabrikmässigsten Massenreproduktion alter
Vorbilder als den kleinsten Pakt mit den

Modernen! Bei einer solchen Gesinnung
ist für die lebendige Kunst nichts zu hoffen.

Etwas günstiger liegen die Beding-
ungen innerhalb der protestantischen
Kirche. Hier bricht sich neuerdings eine
der modernen Kunst nicht unfreundliche
Bewegung Bahn. Der Protestantismus
hat eine kunstarme, ja kunstfeindliche
Vergangenheit hinter sich. Aber gerade
darin liegt ein Moment der Stärke. Jetzt,
wo er sich anschickt, den Geist eines ein-
seitigen Puritanertums zu überwinden,
führt er den Künsten eine frische Quelle
neuer Aufgaben zu. Es ist keine altehr-
würdige Überlieferung da, welche die
Kunst bis in alle Einzelheiten hinein bevor-
mundet und ihr jede freie Bewegung
untersagt. Der Anschluss an die moderne
Entwicklung ist sogar ein Gebot der Not-
 
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