Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten (17.1905-1906)

LUDWIG
JUNGNICKEL
MÜNCHEN.
»FLAMINGOS...

LUDWIG JUNGNICKEL—MÜNCHEN.

Nach herkömmlichem Brauch musste sich
Ludwig Jungnickel im Widerstreit zu
seiner Familie den Weg ertrotzen. Geboren
in München, begann er mit Abendunterricht
an der städtischen Gewerbeschule, besuchte
dann eine Zeitlang die Kunstgewerbeschule
und kam sehr jung nach Rom. Dort erwarb
er sich seinen Unterhalt durch Kopieren;
bald aber trieb ihn ein günstiger Zufall nach
Wien und dort wurde Roller sein Lehrer.
Wer das Glück erleben durfte, im aufnähme-

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'gsten Alter einem überlegenen, produk-

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tiven Menschen zu begegnen, einem Menschen,
an dem nicht nur, was er sagt, eigenartig
und selbständig ist, dessen Tonfall und jede
Geste voll lebendiger Kraft ist, wem solch
eine Natur von ihrem Überschwung schenkt,
der wird in kurzen Monaten mehr erwerben,

1906. II. 4.

als ihm sonst Jahre mühevollen Ringens und
Irrens bescheren. Solch eine Natur ist Roller,
ein geborener Anreger und Förderer. Er
ähnelt Jakobsens Lehrer Bigum, von dem
der Dichter sagt: Solche Leute führen ihre
Schüler nicht; aber in ihrem Unterricht liegt
eine Fülle, eine Mannigfaltigkeit, eine etwas
schwankende Vielseitigkeit, welche, wenn sie
den Schüler nicht verwirrt, einen hohen Grad
von Selbständigkeit in ihm entwickelt und
ihn beinahe zwingt, sich eine eigene Meinung
zu bilden.

So oft man mit Schülern Rollers über
ihn und seine Theorien spricht, immer klingt
noch das frische Gefühl bewundernder Dank-
barkeit mit, um ihn gewesen zu sein. Er
verstand den Lehrer vergessen zu machen,
er schien selbst, wenn er rücksichtslos kriti-

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