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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 18.1906

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Michel, Wilhelm: Eugène Carrière
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https://doi.org/10.11588/diglit.8554#0116

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Schatten, welche die Seele wie auf Daunen
wiegen. Carriere ist in der Flucht vor der
Farbe und dem Licht wohl am weitesten
gegangen. Seine ersten farbigen Versuche
scheinen ihn sehr bald darüber belehrt zu
haben, dass für seine eng umgrenzte, aber
ausserordentlich feine Be-
gabung auf dem Felde der
Polychromie keine Lor-
beeren zu holen waren.
Diesem inneren Zwange
und dem Zuge der Zeit
folgend schlug er einen
Weg ein, der ihn von der
prunkenden Oberfläche der
Erscheinung in tröstliche
Tiefen hinabführte. Camille
Mauclair hat im Februar-
hefte der »Art et Deco-
ration«, wenige Wochen vor
dem am 27. März erfolg-
ten Tode des Künstlers,
diesen Weg zu zeichnen
versucht. »Carrieres Ideal
ist beschränkt«, sagte er,
»aber wenn sich seine erstaunliche Begabung
auch nicht in die Breite erstreckt, so dringt
sie doch in die Tiefe. Carriere besitzt einen
ungewöhnlich starken Willen. Statt ihn zu
gebrauchen, um alles zu umfassen und dabei
Gefahr zu laufen, bestechend und oberflächlich

zu werden, hat er sich seiner bedient, um
alles nicht Unentbehrliche abzustreifen. Er
ist angelegentlich bemüht gewesen, sich dessen
zu berauben, was man die Freude am Malen
nennt«. Er hat zunächst wahrgenommen,
dass die Formen für das menschliche Antlitz
viel wesentlicher sind als
die Farbe. Andererseits
wusste er, dass Malerei
nicht identisch ist mit
Polychromie, dass man
auch Maler sein könne,
ohne sich dem Spiel der
Farben hinzugeben, wenn
man nur den Blick für die
Valeurs und die zarien,
reizvollen Kämpfe zwischen
Licht und Schatten behält.
Farbe ist etwas Zufälliges.
Da es Carriere bei der
menschlichen Erscheinung
nur auf das Wesentliche an-
kam , auf die Idee, den
Charakter, die Seele, so
verfuhr er völlig logisch,
wenn er Schritt für Schritt die Farbe zu
Gunsten des Lichtes zurückdrängte. So langte
er schliesslich bei den grauen und graubraunen
Tönen an, die in völlig monochromer Weise
seine späteren Schöpfungen beherrschen. Und
Mauclair sagt mit Recht, dass Carrieres Bilder

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