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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 19.1906-1907

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Schäfer, Karl: Willy von Beckeraths Wand-Gemälde in der Bremer Kunst-Halle
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https://doi.org/10.11588/diglit.9554#0009

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WILLY VON BECKERATH—MÜNCHEN.

DISPOSITION* DES NACHSTEHENDEN WAND-GEMÄLDES.

WILLY VON BECKERATHS WAND-GEMÄLDE
IN DER BREMER KUNST-HALLE.

Für den Tiefstand unseres Empfindens
für große dekorative Kunst ist kaum
ein Ereignis der letzten Jahre so bezeichnend,
wie die Ausschmückung des Treppenhauses
im Albertinum zu Dresden. Wenn ein
Berliner Vorstadt-Theater seine Räume so
gestaltet hätte, brauchte niemand sich darum
beschwert zu fühlen; wenn aber eine Stadt
von alter Kultur, von der man überdies
eine zielsichere klare Kunstökonomie gewohnt
ist, sich solche Jahrmarkts-Dekoration für
einen ihrer vornehmsten Kunsttempel gefallen
läßt, dann muß das wohl ein Zeitübel genannt
werden, ein Zeichen einer Zeit, die sich
noch nicht zu höheren Wünschen auf-
gerafft hat.

Dem Barock hat man die souveräne
Verachtung aller Stilgrenzen entlehnt; die
Grenzen zwischen Malerei und Plastik,
zwischen Tafelbild und Wandgemälde werden
ignoriert, oder sind vielmehr manchen Künst-
lern niemals zum Bewußtsein gekommen.
Aber die verblüffende Sicherheit im Hand-
werk und das malerische Temperament, das
einst selbst in den Fingern bescheidener
Dorf-Kirchmaler zuckte, wenn sie ihrer Virtuo-

1907. L 1.

sität bewußt, sich so über alle Bedingungen
des Raumes und seiner Flächen hinweg-
setzten, das fehlt heute. Man glaubte genug zu
tun, wenn man mit einem Quäntlein gemein-
verständlichen Naturalismus die Theaterpose
der Kaulbachschule modernisierte. Trotz
aller Staats- und Stipendien-Förderung, trotz
des guten Willens so und so vieler Stifter
ist die große Sehnsucht des 19. Jahrhunderts
nach einer monumentalen Malerei in Deutsch-
land ungestillt geblieben. Hans von Marees
hatte das Unglück, nicht Maler, sondern
nur Bildhauer zu Nachfolgern seiner Ge-
danken zu haben. Den Malern war die
heilsame Berührung mit dem Handwerk, und
damit das Verständnis für die raumbildenden,
raumschmückenden Grundgedanken aller an-
gewandten Kunst gänzlich verloren gegangen.

Vielleicht ist das die allerwesentlichste
Errungenschaft der jungen vom Handwerk
ausgehenden Stilbewegung unserer Tage,
daß sie uns die ursprüngliche, als Fundament
unentbehrliche Empfindung für die Struktur
des Raums, den Sinn seiner Flächen und
für die Grenzen der einzelnen Künste wieder
gelehrt hat. Und aus ihrer Erkenntnis er-

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