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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 19.1906-1907

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Schäfer, Karl: Willy von Beckeraths Wand-Gemälde in der Bremer Kunst-Halle
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https://doi.org/10.11588/diglit.9554#0011

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W. von Beckeraths Wand- Gemälde in der Bremer Kunsthalle.

ALEXANDER SALZ MANN—MÜNCHEN.

hat das Gemälde dreigeteilt, derart, daß die
äußeren Schmalteile dunkler gestimmt von
lebhaften bewegten Gruppen gefüllt werden,
während in der Mitte fast nur die architek-
tonische Ruhe senkrechter und wagrechter
Linien herrscht. Von Komposition, von er-
zwungenem Zusammenbauen der Gestalten
spürt man nichts; und doch ist die Ab-
wägung der Massen gegeneinander, die
Führung der festgefügten Terrainlinien ein
Meisterstück der Komposition. In arkadischer
Nacktheit oder in freierfundener Idealge-
wandung stehen, sitzen, wandeln und liegen
diese Gestalten von schlanker sehniger Körper-
bildung ohne Pose nebeneinander. Nach
Hermann Prell sitzt der Ausdruck monu-
mentaler Schönheit in jener fatalen Wellen-
kontur des Körpers, der am edelsten er-
scheint, wenn die Funktion seiner Glieder sich
in ein haltloses Schweben verwässert: Becke-
raths Gestalten lassen nicht den leisesten
Zweifel über ihr verwurzeltes Stehen, den
gesunden Mechanismus ihrer Glieder; sie
verfügen über eine fast plastisch knappe Klar-
heit des sehnigen Gliederbaus; aus frischer
noch schaffender Freude der Plastik des
Körpers hat Beckerath in allem bisher was
er malte, das Problem der Körperbewegung
über alles gestellt. Die beiden Krieger oder
die musizierende Gruppe des Hauptbildes oder
das zum Baume hinauf langende Mädchen

Dekorative Wandfüllungen.
In der Bremer Kunsthalle.

links sind solche Lösungen des Formproblems
von glänzender Reife. Vielleicht liegt ein
bewußtes Zurückgreifen auf Vorbilder in
dieser Art des Künstlers; man denkt an
Mantegna den großen Zeichner straffer Ge-
schmeidigkeit, und man denkt noch nicht
an Puvis de Chavannes. Beide bedeuten einen
klaren Weg zu großer Monumentalkunst —
vielleicht den einzigen der für unsere Zeit
gangbar ist.

Ist so die feste ausdrucksvolle Linie als
Mittel klarer Komposition in den Händen
des Zeichners Beckerath eine Gewähr für
Monumentalwirkung, so dient ihm die Farbe
nicht minder zu einem charakteristisch deko-
rativen Ausdruck. Er behandelt sie ganz
anders, als in seinen bisherigen Malereien,
verzichtet auf die tiefen warmen Dämmer-
töne, die dem Staffeleigemälde so wohl an-
stehen, und folgt Puvis de Chavanne, der
zuerst mit sicherem Instinkt auch der Farbe
architektonische Haltung gab. Helle, kühle
Töne, keine Tiefen, in dessen Strahlen die
Konturen untertauchend sich verlieren; blau,
grün und gelb, aus derem hellen Einklang
die weißen Gewänder feierlich erglänzen;
die Farbe selbst fleischig breit, im Detail so
behandelt, daß aus dem Nebeneinandersetzen
der Pinselflecken ein lebendiges Spiel entsteht,
wie in dem Flimmern eines Mosaikwerkes
oder in dem körnigen Gewebe eines Wand-

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