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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 19.1906-1907

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Bröcker, Paul: Über das Wesen des Ornamentes
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https://doi.org/10.11588/diglit.9554#0063

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genommen nicht künstlerisch sein. Sie
hatte mit dem Gegenstande, auf dem sie
saß, innerlich nichts gemein, höchstens,
aber auch das nur selten, äußerlich durch
Symbolik. — Die primitiv-zweckmäßige
Grundform aber war deshalb verkümmert,
— weil das falsche Ornament auf ihm saß!
Das Ornament als historische Stilform
stammte aus anderen Zeiten, die andere
Zwecke, andere Persönlichkeits-Werte
kannten. Sie waren Schein, Prunk auf
den Dingen und nicht Ausdruck ihres
Wesens. Das mußte notwendig auch die
einfache Zweckform beeinträchtigen; da
auch der Schmuck nur zum Scheine da
war, so ließ man bald auch die einfache
Zweckgerechtigkeit mehr oder weniger
Schein werden, besonders durch täuschende
Technik und Materialbehandlung. Der
Schmuck ward zum Mittel, Schlechtig-

keiten im Material und in der Kon-
struktion billig zu verdecken.

Das künstlerische Ornament aber ist
immer aus der primitiven Zweckform des
Gegenstandes allmählich, als Produkt einer
Entwicklung hervorgegangen, wenn auch
der Stil des Ornaments als jeweiliger
Zeitstil überall wiederkehrt.

Wie wächst denn das Ornament? —Dem
primitiven Zweckbegriffe genügt auch in
ästhetischer Hinsicht die einfache Zweck-
form. Jedoch, — wie alles Tun und
Lassen des Menschen, eines mehr, eines
weniger, sich in seinem Innerlichen als
Lebenserfahrungen umsetzt, die Bau-
material zu seiner Persönlichkeit werden,
so auch die Benutzung eines Gegenstandes.
Sie formt am Menschen, wirkt läuternd
zurück auf den Zweck, dem es dient. Der
Zweck hebt sich innerlich — wir können

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