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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 19.1906-1907

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Das Marionetten-Theater Münchner Künstler: Auf der bayrischen Landes-Jubliäums-Ausstellung in Nürnberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.9554#0096

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DAS MARIONETTEN-THEATER MÜNCHNER KÜNSTLER

AUF DER BAYRISCHEN LANDES - JUBILÄUMS - AUSSTELLUNG IN NÜRNBERG.

Das alte gute Puppenspiel, - eine Kunst,
von der die wenigsten wissen, weil sie (so
alt sie ist) fast nur von fahrendem Volke in
primitivster Art geübt wurde, - soll zu neuem
Leben erweckt werden. Der Stimmen hierfür
sind in letzter Zeit viele gehört worden, so
schrieb beispielsweise Jos. Aug. Luxim Januar-
heft der Zeitschrift „Kind und Kunst" in einer
„Geschichte und Ästhetik des Puppenspiels"
unter anderm folgendes:

„Ein Puppenspiel ist mehr als bloßes Kinder-
spiel. Der Geist Don Quichottes lebt darin bis
heutigentags. Während das große Theater immer
größere Wirklichkeitstreue sucht und solcherart
die Grenzen des Darstellbaren verengert, hält
sich das Puppenspiel mit seinen unzulänglichen
Mitteln von dem Wettbewerb mit der Wirklich-
keit fern, zugunsten größerer Illusionsmöglich-
keiten. Seine Vollendung liegt in der Unzuläng-
lichkeit. Die Gliederpuppen sind ganz allgemeine
Größen, menschliche Gleichnisse ohne Persön-
lichkeitswert, Symbole. Alle Märchenkünste
machen sie wahr. An den Absichten der Dich-

1900. X. 11.

tung können sie nichts verderben. Sie laufen
nie Gefahr zu vergessen, daß sie bloß Stoff sind,
unbelebte Materie, keinen anderen Gesetzen Unter-
tan, als denen ihrer Natur und des Spiels. Sie
haben zum Glück für die Darstellung kein eigenes
Bewußtsein. Sie haben eine Seele, die physi-
kalisches Gesetz ist und Schwerpunkt heißt, der
sich im Inneren der Puppe befindet. Jede Be-
wegung, jede Erschütterung dieser Seele löst
ein rhythmisches Spiel der Glieder aus, pendel-
artige Kurven, die sie um den Körper be-
schreiben. So klingt jede Erregung in Har-
monie aus, jede Linie ist Wohllaut, Schritt und
Gebärde ist Tanz, sichtbare Musik. Und weil
alles auf ganz natürliche einfache Weise geschieht,
liegt eine Unschuld in diesen Bewegungen, die,
wie Heinrich von Kleist sagt, nur Körpern zu-
kommt, die entweder gar kein Bewußtsein haben
oder ein unendliches, dem Gliedermann oder
einem Gott. An Drähten gehoben, ist der Glieder-
mann antigrav, wie ein Gott der Erdenschwere
entlastet, von geheimnisvollen Kräften bewegt,
und befähigt, Dinge zu verrichten, die dem Sterb-

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