Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 19.1906-1907

DOI Artikel:
Wolff, Fritz: Bildhauer J. Bossard, Friedenau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9554#0175

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
j. bossars—friedenau bei berlin,

Lithographie: »frühlings-einzug«.

BILDHAUER J. BOSSARD-FRIEDENAU.

Es ist gewiß betrübend, zu sehen, daß
ein großes Talent jahrelang unbeachtet
bleiben kann und dies in einer Zeit, von der
man denkt, daß sie ein doppelt reges Interesse
für alle auftauchenden Erscheinungen hat.
Aber noch bedauerlicher ist es, die Folgen
des Lärmes zu betrachten, mit dem so mancher
begrüßt worden ist. Für Johannes Bossard,
den ich für ein großes und zukunftreiches
Talent halte, möchte ich wenigstens den
Anfang hierzu nicht gemacht haben. Das
ganze Wesen seiner Kunst wurzelt in Ruhe
und Sammlung und jene gewisse Aktualität,
die den meisten als Ziel erscheint, wünsche
ich ihm nicht. Das Berliner Publikum hat
augenblicklich an zwei Stellen Gelegenheit,
ihn als Bildhauer und Zeichner kennen zu
lernen; es wäre erfreulich, wenn einige ernste
Beurteiler ihn für sich entdeckten; vor dem
großen Spektakel wird er hoffentlich behütet
bleiben.

Bossard ist nicht mehr ganz jung und
alle Urteile sind falsch, die es verkennen,
daß seine Versuche und Pläne gleichzeitig
entstanden sind mit denen verschiedener
Künstler, als deren Nachahmer er hingestellt
wird. Überhaupt sind alle Vergleiche über-
flüssig, er hat mit Klinger so gut wie nichts
zu tun und daß er sich Vergleiche mit
Fidus, Stassen oder Otto Greiner gefallen
lassen muß, ist wirklich arg für ihn. Nichts
als die unbedingte Ehrlichkeit gegen sich
selbst und die Konsequenz seines Wesens

1907. III 1.

und Schaffens verbindet ihn mit dem ersteren
und nichts trennt ihn so wie diese Ehrlich-
keit von den drei andern. Was sie nur
vorspiegeln wollen: Temperament und unge-
künstelte Kraft, Einfachheit der Empfindung,
Steigerung bis zum Pathos und bis zur
Monumentalität, das sind seine Gaben in
Wirklichkeit. Es mag mancher Beschauer
mit ungeklärten Vorstellungen über seine
künstlerischen Absichten fortgehen, aber das
einfachste Gefühl wird jedem sagen, daß
nichts ungerechter ist, als ihn mit dieser
Phrasenkunst zusammenzubringen. Man sollte
sich vor allem davor hüten, ein absolutes
Urteil aussprechen zu wollen. Wie das, was
er jetzt vor uns hinstellt, das Produkt eines
jahrelangen Kampfes und unaufhörlichen
Versuchens ist, so sind diese Arbeiten auch
nicht die letzten künstlerischen Bildungen.
Wir vermögen nur die Elemente zu erkennen,
von denen er ausgeht, die freilich in der merk-
würdigsten Mischung bei ihm vorhanden sind.
Vielleicht ist es nicht bloße Spielerei, wenn ich
dieses Nebeneinander nordischer Zeichnerkraft
und italienischen Renaissance - Riesenmaßes
der Leiber, die Schärfe der Physiognomik und
die strahlenden Farben seiner Plastiken und
Lithographien darauf zurückführe, daß er ein
Landsmann Conrad Ferdinand Meyers ist.
Was aus diesen Elementen noch werden mag,
wissen wir nicht, das Kommende läßt sich
nur beurteilen nach der ungeheuren Kraft
des Temperaments, aus der das Gegenwärtige

169
 
Annotationen