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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 19.1906-1907

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Zimmermann, Ernst Heinrich: Was nun?: Betrachtungen nach Schluss der Dresdner Kunstgewerbe-Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.9554#0191

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bungen gegenüber noch fast gänzlich ver-
sagt haben, oder doch in dieser Beziehung
stark im Hintertreffen stehen. Von allen
größeren Städten, die auf der Ausstellung
ausgestellt haben, hat Berlin, die deutsche
Reichshauptstadt, wohl am schlechtesten
abgeschnitten. Eine wirklich bedeutende
Kraft hat sich hier in keiner Weise doku-
mentiert. Dagegen sind höchst mäßige, auch
gänzlich verfehlte Leistungen hier zutage
getreten. Hamburg, die zweitgrößte Stadt
Deutschlands, fehlte auf dieser Ausstellung
sogar gänzlich, Breslau nicht minder. Frank-
furt war fast nur durch einen Zufall vertreten.
Kleinere Städte, die früher nie für irgendwie
kunstproduzierende Stätten gegolten haben,
haben die Aufgaben übernommen, die jenen
von Haus aus zukommen. Dasselbe Bild
wiederholte sich leider auch bei den Stätten
der Ausbildung der künstlerischen Jugend:
auch hier fehlten die großen Städte so gut
wie ganz. Ganz kleine, oft erst ganz kürz-
lich gegründete Anstalten marschierten hier
an der Spitze und führten jenen Typus vor,
den die moderne Bewegung zur Ausbildung
eines brauchbaren Nachwuchses als Ideal
hingestellt hat.

Dies alles sind untrügliche Tatsachen,
die nichts weniger besagen, als daß die
Hauptmassen und -mächte auf dem Gebiete
der angewandten Kunst bei uns noch garnicht
in Bewegung sind, daß die moderne Be-
wegung ihre aufrüttelnde Kräfte an diesen
Stellen noch garnicht oder kaum hat in
Tätigkeit setzen können. Darum aber gerade
sind diese Gebiete auch unzweifelhaft die-
jenigen, auf denen die Arbeit, die den Fort-
schritt darstellt, in nächster Zeit mit ihrer
ganzen Kraft und Zähigkeit einzusetzen hat.

Dr. E. Zimmermann : Was nun ?

Es gilt, der modernen Kunst die Industrie,
die Hauptstädte und die Schulen zu ge-
winnen, es gilt, sie nach allen Seiten zu
verbreiten und zu verallgemeinern, und hier-
bei auch jene falschen Nebenströmungen
völlig wieder zu beseitigen, die sie, ohne
es zu wollen, in so erschrecklicher Weise
heraufbeschworen hat.

Diese Aufgabe kann aber nicht allzu-
schwer durchzuführen sein, wofern nur auf
allen Seiten wirklich guter Wille vorhanden
ist. Es ist eben — das hat der Beifall, den
diese Ausstellung gefunden, gezeigt — für die
Industrie jetzt kein Risiko mehr, die wirk-
lich moderne Kunst aufzunehmen und zu
verarbeiten, es kommt keiner Selbstaufopfe-
rung mehr gleich, wenn sie jetzt gute Kunst
an die Stelle von schlechter setzt. Aber es
ist auch jetzt für den, der die Ausstellung
richtig studiert, keine allzugroße Gefahr
mehr vorhanden, nun wieder den falschen
Kräften in die Hände zu fallen und dadurch,
wie es bisher fast Regel war, etwas ganz
anders zu bewirken, als man gewollt hat.
Die Ausstellung hat in den meisten Fällen
aufs deutlichste gezeigt, welche künstlerische
Kräfte auf den verschiedenen Gebieten der
angewandten Kunst als die schon brauch-
baren und zuverlässigen anzusehen sind.
Die öffentliche Kritik hat diese Hinweise
in Tagesblättern und Zeitschriften nur noch
unterstrichen. Man braucht daher nur diesen
zu folgen, braucht nur die Künstler, auf die
sie zeigen, zu gewinnen oder ihre Kunst
aufs gründlichste zu studieren, um eine
Kunst zu schaffen, die weiten Massen wirk-
lich das Edle und Schöne ins Haus bringt
und ihnen eine in Wahrheit begründete Freude
bereitet. — d«- ernst Zimmermann—Dresden.
 
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