Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten (19.1906-1907)

Georg Muschner: Tagebuch-Blätter.

IV. KUNST UND

Ich kann mir wohl einen Mann denken
— er dürfte sogar Professor der Kunst-
geschichte sein — etwa folgender Art: nicht
bloß feinfühliger Kenner, sondern selber
Künstler, vor allem edle klare Persönlichkeit.
Ein Mann, der darin seine Sendung sieht,
auf dem Gebiet der Kunst das zu geben,
was bis jetzt fehlt, fast jedem fehlt: Freund-
schaft. Wohl wenige Künstler haben einen
Freund, der ihnen die Wahrheit sagt, der
ihnen ehrlicher Mitarbeiter ist.

Aber die alte Freundschaft ist ausge-
storben und niemand will das schwere Amt,
und niemand vermag das beim Künstler
doppelt schwere Amt zu erfüllen.

Zu jenem Manne aber kommen die Künst-
ler aus der ganzen Stadt, aus dem ganzen
großen Reiche und scheuen sich nicht und
fragen, ehe sie Dummheiten machen, über

FREUNDSCHAFT,
die die falschen Freunde sich freuen würden.
— Es ist anders als früher, schwerer: man
schafft weniger denn je aus bloßer Begabung;
erste Werke vielleicht im Sturm junger
Jahre; dann aber, wenn man an die Probleme
der Zeit oder auch nur an die der eigenen
Persönlichkeit kommt und sich zu nahe steht,
wenn jeder den Weg sich herausschlagen
muß aus dem Unbekannten: dann braucht
man wohl die helfende Hand.

Grade die Arbeiten des Fortschritts sind
heutzutage erschreckend irrig, hülflos tastend,
meist unfertig.

Wir wollen endlich weniger Versuche,
mehr fertige umsichtig eingestellte Werke.

Da liegts: Einer allein kann sich nicht
mehr durchfinden. Es fehlt der führende
Freund. Ach, es fehlt uns allen der große
Freund und Weiser. g. müschner—München.