Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 19.1906-1907

DOI Artikel:
Michel, Wilhelm: Etwas über Bilder-Rahmen, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9554#0222

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Wilhelm Michel—München:

To: ;j

Bs











ARCHITEKT c. R. ASHBEE—LONDON. Zeichnung auf Pergament, Einband des Gebetbuches des Königs von England.

ETWAS ÜBER BILDER-RAHMEN.

Eine Philosophie des Rahmens zu schreiben,
wäre für einen mit Wagemut und
Wissen ausgerüsteten Geist eine schöne Auf-
gabe. Es ergäbe sich dabei Gelegenheit,
sowohl viel Praktisches und Nützliches zu
sagen, wie auch manchen anregenden Ge-
danken auszusprechen. Gleichzeitig müßte
eine Geschichte des Rahmens skizziert werden,
in der vielfach von der Kunst selber, vom
Geiste der verschiedenen Zeitalter, von der
Entwicklung der Kultur und des Ge-
schmackes die Rede sein könnte.

Es müßte dabei vor allem zur Sprache
kommen, daß es Rahmen nicht bloß bei
Kunstwerken gibt, sondern auch bei den
Gegenständen der Landschaft und bei be-
lebten Wesen. Das Gesicht einer schönen
Frau wird von Haaren umrahmt, und nicht
umsonst haben zu allen Zeiten die Damen
ein sorgfältiges Studium darauf verwandt,
um festzustellen, welcher Rahmen, welche
216

Frisur die Vorzüge des Kunstwerkes, des
Gesichtes, am besten zur Geltung bringt.
Wird ein Mensch im Rahmen eines geöff-
neten Fensters oder einer Türe sichtbar, so
gewinnt seine Erscheinung an Anmut und
Bedeutung. Was die landschaftlichen Dinge
angeht, so macht der berühmte verstorbene
Geograph Ratzel in seinem überaus lesens-
werten Buche »Über Naturschilderung« dazu
folgende Bemerkung: »Ich erinnere mich,
daß ich den Tenno-See in Judikarien im
Vorfrühlung sah, als seine Ufer kahl waren
und das Wasser zurückgetreten war; als ich
ihn dann im Sommer von einem Rahmen
von grünem Rasen und dunklen Bäumen
umgeben wiedersah, gefiel er mir viel besser.«
Daran knüpfen sich noch eine ganze Reihe
anderer Beobachtungen, wie die, daß Wasser-
fälle oft schöner durch ihre Umrahmung sind,
als durch die strömenden Wassermassen selbst,
daß Flußinseln und -Halbinseln infolge der
 
Annotationen