Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 19.1906-1907

DOI Artikel:
Rapsilber, Maximilian: Rudolf Marcuse - Berlin
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9554#0259

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Max Rapsilber—Berlin :

RUDOLF MARCUSE — BERLIN.

Bronze: »Gladiator«

RUDOLF MARCUSE-BERLIN.

Ob nicht die Berliner Bildhauer einen
guten Tag leben! Wer sich auf
patriotischen Marmor versteht, hat alle Hände
voll zu tun. Zwar heißt es, daß uns die
plastische Geschichts- und Heldenklitterung
nachgerade bis zum Halse stehe. Merk-
würdiger Weise hindert das aber nicht, daß
von Berlin bis Posemuckel sich jedes Städtchen
eine Siegesallee zulegt. Man mag nun spotten
wie man will, der plastische Zug unserer
Zeit ist nicht hinwegzudeuteln. Und so findet
jeder Bildhauer, der seine Sache versteht,
alsbald ein dankbares Publikum und wohl
gar eine gläubige Gemeinde. Wer einmal
in einer Kunstvereins-Verlosung eine kleine
feine Bronze gewinnt, der freut sich wie ein
Schneekönig, während ein gewonnenes Bild
von vorn und hinten beäugelt und bemäkelt
wird. Eine Bronze kann man anfassen,
streicheln und liebkosen, drehen und wenden
und sogar von hinten hat sie ihre Reize,
was man von einem Gemälde gerade nicht

354

behaupten könnte. Dieses sinnliche Wohl-
gefallen an der Plastik ist aber erst jüngeren
Datums. Ein ganzes Menschenalter war das
Bildwerk unpopulär, weil ihm die akademisch
gipserne Öde aus den leeren Augen glotzte.
Jetzt ist das anders geworden, jetzt schaut
so ein lüsterner, lachender, werbender Funkel-
geist aus den modellierten, getönten, pati-
nierten, vergoldeten, verbernsteinten, ver-
edelsteinten Augäpfeln. Und was die Plastik
etwa an steifleinener und feierlicher Würde
verloren, das hat sie andererseits gewonnen
an prickelnder Lebendigkeit und Zutraulich-
keit. Die moderne Skulptur beansprucht
keinen Hausaltar für sich, sie will mit uns
leben und guter Dinge sein. Kurz und gut,
die Bildhauer sind aus dem siebenten und
langweiligsten Himmel auf die grüne und
kurzweilige Erde herniedergestiegen. Neben
den Massen-Denkmalsbonzen erblüht gegen-
wärtig ein neues Geschlecht von Bildhauern
in Berlin, deren Arbeiten eine behaglich
 
Annotationen