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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 19.1906-1907

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Schaefer, K.: I. Ausstellung der Nordwestdeutschen Künstler-Vereinigung in Bremen: 9. Dezember 1906 bis 8. Januar 1907
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https://doi.org/10.11588/diglit.9554#0288

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Künstler- Vereinigung in Bremen.

kommenen Ausstellung zu wiederholen. Im
Sommer 1905 fanden zwischen Oldenburg,
Worpswede, Bremen, Hamburg Vorbe-
sprechungen statt, die dann zu Anfang dieses
Jahres in Bremen zur Gründung der Vereinigung
führten. Heute, mit der Eröffnung ihrer ersten
Ausstellung, feiern wir die Taufe des jungen ins
Leben tretenden Geschöpfs, dem wir wünschen,
daß es sich eine segensreiche Arbeit schaffen
möge an der Stelle, wo solche zum Nutzen
unserer deutschen Kunst noch not tut.

Trotz Lichtwark und Brinckmann und trotz
der Größe und Wohlhabenheit Hamburgs hat
auch die stolzeste unter den Hansestädten bis
heute noch kaum den Versuch gemacht, eine
Kunststadt zu sein, die dem Norden des Reiches
das bedeuten könnte, was Dresden, München
und manche kleinere Residenz dem Süden sind.
Und doch hätten die Hansestädte heute vollauf
die Kraft dazu aus sich heraus, aus eigenen
Kräften Werte zu schaffen, die ihnen zu dem
Ruhm des Wagemuts, der Energie und geschäft-
lichen Tüchtigkeit, der äußeren Lebenskultur
auch noch den feinsten und wertvollsten ein-
tragen könnte, den Ruhm von Städten, in denen
Kunst und Künstler nicht zu frieren brauchen.

Dazu gehört aber vor allem, daß wir uns
unserer eigenen Künstler erinnern, daß wir lieben
lernen, was in ihnen als ein Stück unseres eigenen
Empfindens, nur stärker und abgeklärter, zum
Ausdruck kommt, daß wir ihnen den Boden
bereiten, auf dem sie nicht bloß gezwungen,
sondern gerne unter uns verweilen. — Die alte
hanseatische Kultur war wahrhaftig eine im
höchsten Maße künstlerische, nicht bloß eine
materielle; Bremen und das alte Lübeck ent-
halten Zeugen genug davon noch heute. Daß
die heutige es wieder werde, dazu fehlt nicht
viel mehr als der ernste Wille derer, die es an-
geht. Damit es uns bewußt werde, über welche
eigenen Kräfte wir verfügen, dazu werden uns
die Ausstellungen der nordwestdeutschen Ver-
einigung künftig noch oft verhelfen können; und
anderseits können sie dazu beitragen, auch an
außerhalb des niedersächsisch-friesischen Bereichs
gelegenen Orten zu demonstrieren, was unsere
Künstler wollen und können.

Nicht daß man nach Worpsweder oder
anderm Schema Birkenstämme, Moor und blühende
Heide malt, nicht daß man »Heimatskunst« be-
treibt — es wird einem etwas bange vor diesem
schon so viel mißhandelten Worte — nicht solche
Äußerlichkeiten dürfen als das Ziel solcher Ver-
einigungen erwartet werden. Ein Stück von der
Rassenqualität, aus der er stammt, arbeitet in
jedem tüchtigen Kopfe; daß sie nicht aufgegeben
werde einer Modeschablone zu liebe, ist das
einzige, was man wünschen muß, damit wir uns

auch in der bildenden Kunst jenen Reichtum
kräftiger, in sich so sehr verschiedener Indivi-
dualitäten erhalten, durch die sich unsere alte
Kunst so wundervoll frisch erwiesen hat. — Die
heutige Ausstellung umfaßt etwa 120 Bilder, einige
30 graphische Arbeiten und etwa ebenso viele
plastische Werke. Ihre Qualität ist glänzend, ob-
wohl kaum ein großes, überragendes Hauptwerk,
ein anspruchsvoller Schlager, den äußeren Effekt
steigert. Die Jury hat ihr Amt mit gerechter
und notwendiger Strenge geübt. Unsere Kunst-
halle, die von vornherein in dankenswertester
Weise der Vereinigung ihre Säle zu dieser ersten
Feuerprobe zur Verfügung gestellt hat, erfreut
uns wieder einmal aufrichtig durch ein ge-
schmackvolles weiträumiges, jedem Werk zu seiner
Wirkung verhelfendes Hängen. Von den geistigen
Führern der Vereinigung ist der Holsteiner Hans
Olde (Weimar) mit dem Bildnis einer alten
Dame in Lebensgröße so glänzend vertreten, wie
wir den Maler des Claus Groth bisher noch
nicht gekannt haben. Der Lübecker Linde-
Walther erweist sich als einer der feinsten
Meister zarttöniger Farbigkeit. Die Worpsweder
sind — seit längerer Zeit zum ersten Male wieder
— mit Werken erschienen, die ganz ihren
alten Ruf rechtfertigen. Namentlich interessiert
H. Vogelers neueste malerisch viel reicher und
reiner erscheinende Art. Von den Hamburgern
bringt Kayser Hafen- und Straßenbilder von
bunt lebendiger Frische und ausgezeichneter
Sicherheit; Eitner lernen wir eigentlich hier
zum ersten Mal kennen und was er bringt, ist
vollsaftig und sicher gemalt; Illies, der merk-
würdigste unter ihnen, kennt neblig weiche ein-
schmeichelnde Töne aus dem Grün einfachster
Landschaftsmotive und dem Grau des Wassers,
ebenso wie die klare Härte des Porträts von
Liliencron. E. Oppler, der Hannoveraner,
übertrifft in zwei hellen Interieurs auch das, was
wir bisher Farbenfeines von ihm gesehen haben;
Leipold, Wiemann und eine Menge anderer,
die kaum dem Namen nach bisher in den Kreisen
der Ausstellungsbesucher bekannt sind, fügen dem
Gesamtbild neue Nuancen an.

Die Plastik, in der Behn, der Lübecker,
überragt, ist noch selten so stilvoll und einheit-
lichen Geistes hier vertreten gewesen. Es fehlen
leider Bernh. Winter, von dem ein neues als
Triptychon gedachtes Bild vom Leben auf der
Diele eines Bauernhauses vielleicht noch eintrifft.
Es fehlt Feddersen, der eigensten einer aus
der Nordostecke Schleswigs, es fehlen vorläufig
noch Kuehl und Carlos Grethe und leider
auch Carl Vinnen. Das Gesamtbild ist eine
gute Vorbedeutung für das, was die Vereinigung
der Nordwestdeutschen Künstler uns künftig noch
sein kann. — dr- k. schakkkr.

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