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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 19.1906-1907

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Schaukal, Richard von: Heinrich Vogeler - Worpswede: Als Buch-Illustrator
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https://doi.org/10.11588/diglit.9554#0309

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Dr. Richard Schaukai — Wien :

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HEINRICH VOGELER—WORPSWEDE.

ihm auch jegliche Ironie, die immer mit der
Bedeutung des Wunderbaren lästernd spielt.
Er hat keinen Witz, der das begrifflich Un-
gereimte zu törichter Ehe kuppelt. Aber
er hat Humor, den melancholischen Humor
der Entsagung, die immer wieder sich sehnt.

Deutsch in Vogeler ist auch seine un-
erschütterliche Verläßlichkeit, seine Treue.
Seine Linien, wenn sie sich noch so sehr
verschlingen, verwirren sich nie. Er täuscht
nicht. Er ist rein und klar. Seine Linien-
musik gemahnt an das helle silberne
Glockenspiel Mozarts. Nie wird ein dumpfer
Ton seine krystallene Harmonie stören.
Und wenn sein Strich manchmal versagt,
— er ist nichts weniger als ein Virtuose der
unbeschränkten Möglichkeiten, er hat sehr
deutliche Grenzen der Ausdrucksamkeit —
darf man es gelten lassen als sympathische
Annäherung. Er ist kein raffinierter Tech-
niker, er verblüfft nicht, er hat nichts von
der perversen Grazie Beardsleys, an den
seine Hieroglyphen manchmal gemahnen.
Seine Anmut ist immer ein wenig deutsch-
bescheiden. Sein Frühling ist der schmach-
tende Vorfrühling der uneingestandenen leisen
Wünsche, nicht der im Blut gährende Früh-
ling des Verlangens. Er hat keinerlei
Schwüle der Sinnlichkeit. Seine Motive der
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Illustration: »Oktober«
Auageführt und in Verlag: von Gebr. Klingspor—Offenbach a. M.

Geschlechter - Beziehungen sind die Braut-
schaft, Scheidens-Wehmut und Wandern in
süßen Gedanken, innige treue Gemeinschaft
und das rührende Schicksal der jungen
Mutter. Über seine Landschaft fliegen wilde
Schwäne und segeln Schwalben, seine Gärten
stehen selten in üppiger Blüte, meist in der
zärtlichen Dürftigkeit des ersten Keimens.
Darum liebt er die schüchternen frierenden
Birken, die Lichtungen, die Waldblößen, die
kaum erst getauten Teiche, die rieselnden
schmalen Wässerlein, an deren Rändern
noch Schnee liegt. Keine Wasserstürze
donnern bei ihm von schroffen Höhen her-
nieder, keine Stürme sausen durch trotzige
Kronen. Seine Landschaft ist mild, ruhig,
sanft, wie seine Gestalten gleichsam ge-
lagert, geschmiegt: sie hasten nicht, sie
schwelgen nicht, sie warten immer demütig
oder sie trauern heimlich. Und seine ge-
dämpfte Fröhlichkeit ist Treuherzigkeit,
niemals bezaubernd, immer überzeugend.
Seine Frauen sind nicht schön und geheim-
nisvoll, aber innig, nicht elegant, aber zärt-
lich, nicht fesselnd, aber treu. Sie haben
eine milde Demut vor dem Leben. Seine
Jünglinge aber sind immer er, Heinrich
Vogeler, der verspätete »Biedermeier<, den
er mit liebenswürdiger Koketterie an sich
 
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