HAUS „RHEINGOLD" IN BERLIN
EINE MEISTERSCHÖPFUNG VON BRUNO SCHMITZ.
Wir leben in einer Zeit der Über-
raschungen und der Ausnahmefälle.
Bei aller emsig getriebenen Ordnungs-
und Gleichmacherei, durch Schule und
Regulative von oben, durch den Fanatis-
mus der Massen von unten, wird das
Bedeutende immer wieder von den Außen-
seitern geleistet. Ein von unserem ge-
segneten Schuldrill nur bis zur Tertia
drangsalierter und vielleicht gerade deshalb
so stark und scharfsichtig gebliebener geni-
aler Kaufmann schiebt unseren Kolonial-
karren aus dem Sumpf; aus einem Ramsch-
laden geht ein königlicher Kaufmann
hervor, der durch einen unserer allerbesten
Architekten das schönste Warenhaus der
Welt — Messels »Wertheimbau« in Berlin —
errichten läßt, während die Staatsbau-
verwaltung einen ebenso genialen Künstler
Otto Schmalz — kaltstellen muß, der
doch im Land- und Amtsgericht in der
Berliner Neuen Friedrichstraße ein Werk
geschaffen, das mit dem Warenhaus Wert-
heim und der Hochbahnstrecke in der
Bülowstraße für die neuzeitliche Ent-
wickelung der Baukunst stets einen Mark-
stein allerersten Ranges bilden wird. Ein
Witzblattillustrator wird inzwischen Unter-
richtsleiter am Gewerbe-Museum in Berlin
— und man hat allen Grund, sich dessen zu
freuen —, und Schankwirte, die ein neues
System der Bier- und Brödchen-Verab-
folgung erfanden, lassen in Berlin durch
Deutschlands größten Denkmalbauer einen
Palast errichten, der an Pracht und Größe
schier neben jenen genannten »Schöp-
fungs-Bauten « zu nennen ist.
Der »Bierquelle« der Gebr. Aschinger
entfließen plötzlich märchenhafte Gold-
ströme für höchste Kunst! Und wenn
auch nicht für lediglich ideale Zwecke —
Menschen, die ihren Reichtum auch ein-
1907. VII. 1.
I
EINE MEISTERSCHÖPFUNG VON BRUNO SCHMITZ.
Wir leben in einer Zeit der Über-
raschungen und der Ausnahmefälle.
Bei aller emsig getriebenen Ordnungs-
und Gleichmacherei, durch Schule und
Regulative von oben, durch den Fanatis-
mus der Massen von unten, wird das
Bedeutende immer wieder von den Außen-
seitern geleistet. Ein von unserem ge-
segneten Schuldrill nur bis zur Tertia
drangsalierter und vielleicht gerade deshalb
so stark und scharfsichtig gebliebener geni-
aler Kaufmann schiebt unseren Kolonial-
karren aus dem Sumpf; aus einem Ramsch-
laden geht ein königlicher Kaufmann
hervor, der durch einen unserer allerbesten
Architekten das schönste Warenhaus der
Welt — Messels »Wertheimbau« in Berlin —
errichten läßt, während die Staatsbau-
verwaltung einen ebenso genialen Künstler
Otto Schmalz — kaltstellen muß, der
doch im Land- und Amtsgericht in der
Berliner Neuen Friedrichstraße ein Werk
geschaffen, das mit dem Warenhaus Wert-
heim und der Hochbahnstrecke in der
Bülowstraße für die neuzeitliche Ent-
wickelung der Baukunst stets einen Mark-
stein allerersten Ranges bilden wird. Ein
Witzblattillustrator wird inzwischen Unter-
richtsleiter am Gewerbe-Museum in Berlin
— und man hat allen Grund, sich dessen zu
freuen —, und Schankwirte, die ein neues
System der Bier- und Brödchen-Verab-
folgung erfanden, lassen in Berlin durch
Deutschlands größten Denkmalbauer einen
Palast errichten, der an Pracht und Größe
schier neben jenen genannten »Schöp-
fungs-Bauten « zu nennen ist.
Der »Bierquelle« der Gebr. Aschinger
entfließen plötzlich märchenhafte Gold-
ströme für höchste Kunst! Und wenn
auch nicht für lediglich ideale Zwecke —
Menschen, die ihren Reichtum auch ein-
1907. VII. 1.
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