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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 21.1907

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Schaukal, Richard: Vom ästhetischen Wesen der Baukunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.6700#0061

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Richard Schaukai—Wien :

PROFESSOR ALBIN MULLER—DARMSTADT.

Entwurf: Landhaus am See.

VOM ÄSTHETISCHEN WESEN DER BAUKUNST.

VON RICHARD SCHAUKAL.

Wenn man von Payerbach im Raxgebiete
auf der Landstraße den Semmering er-
reichen will, muß man den Ort Gloggnitz
durchfahren. Auf einem bewaldeten Hügel
steht das Kloster von Gloggnitz. Beim Verlassen
des Ortes wird dem sich Rückwendenden
ein prachtvoller Anblick: breit liegt die weiße
Front des mächtigen Gebäudes, mit vielen
einförmigen Fenstern, die grüne Laden haben,
grüßend, vordem sich entfernenden Betrachter,
dem, wie er höher und weiter gelangt, das
stille Haus immer heimlicher und fremder
zugleich an den grünen Baumhintergrund der
Berge sich fügt: keine Störung des frischen
Naturbildes, eine Vertiefung nur seiner be-
ruhigenden und erheiternden Wirkung. Das
Haus ist auf das einfachste gestaltet: eine
klare Stirn, ein mit gemütlichen Luken freund-
lich sie krönendes Dach, das voll zur Dar-
stellung gelangt, ein kuppeliger Turm, der
gelassen emporsteigt, das Ganze auf sanfter,

aber beherrschender Anhöhe, weithin sichtbar.
Und solcher Bauten, Kirchen und Schlösser,
gibt es aus dem 18. Jahrhundert eine große
Zahl im Alpenland.

Ob vielen Derer, die sie mit bewußter
und unbewußter Wollust im Reisen beschauen,
deutlich geworden ist, daß diese schlichten
Gebäude, die es an Lieblichkeit, Größe und
Nachhaltigkeit des Eindrucks mit der unsterb-
lichen Natur aufnehmen, das Wesen der schönen
Baukunst in einfachen Noten verkünden:
Masse und Perspektive. Man kann ruhig
sagen: alles, was in unsern deutschen Ländern
aus jener Zeit stammt an Architektur, vom
fürstlichen Palais der Großstadt angefangen
bis hinab zum behäbigen Bauernhof, ist treff-
lich, und fast alles, was das Gepräge des
>eisernen« Jahrhunderts (von der jüngsten —
freilich noch sehr schwankenden — Renais-
sance abgesehen) trägt, ist schlecht.

Man geht heute — und damit sei denn wohl-

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