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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 21.1907

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Scheffers, Otto: Etwas über das Grübeln
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https://doi.org/10.11588/diglit.6700#0089

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Etwas über das Grübe/n.

MALER ADOLF BEYER—DARMSTADT.

Am Küchenfenster«.

Turmes durch vier Scheingiebel sehr beein-
trächtigt. Jedesmal, wenn ich sie sah, ärgerten
sie mich, ich fand keinen Grund für die Berechtigung
ihres Daseins, die Richtung ihrer Linien konnte
ich nicht in Einklang mit der Turmspitze bringen,
die Giebel verhinderten eine zweckmäßige Ver-
teilung der Fensteröffnungen und endlich unter-
brachen sie die Ruhe der Turmflächen, welche
einen schönen Gegensaß zu den andern, reicher
verzierten Teilen des Gebäudes abgegeben hätten.
Ein Zufall offenbarte mir später den Gedanken,
welcher den Künstler zur Anbringung der Giebel
verleitet hatte. Seine Absicht war gewesen, die
Grundform des Hauptbaues, der vier Giebel auf-
weist, durch eine Wiederholung im Kleinen hoch
oben am Turme ausklingen zu lassen.

In den beiden, hier angeführten Fällen liegt
nach meiner Meinung der künstlerische Gedanke
zu tief, als daß er noch erkannt werden und
wirken könnte, in beiden Fällen hat das Grübeln
den Künstler zum Schaffen von Formen verleitet,
die die Ruhe der Gesamtwirkung stören.

Viele Bildhauer glauben heute geistreich zu
sein, wenn sie sehr kleine, oft kaum erkennbar
kleine, aus dem Zusammenhang herausgegriffene
Teile von Pflanzen ohne weiteres auf struktive

Architekturglieder übertragen. Wären diese
Künstler mit den Gesehen der Statik etwas ver-
trauter, so wüßten sie, daß eine struktive Form,
die ihren Zweck im Kleinen vollkommen erfüllt,
das bei tausendfacher Vergrößerung meist nicht
mehr tut, weil alsdann allerlei Material-
eigenschaften, die im Kleinen ganz belanglos
sind, wie z. B. die Schwere, eine große Bedeutung
erlangen. So kann beispielsweise das kleine
Modell einer Eisenbrücke verhältnismäßig viel
größere Räume überspannen als die in Wirklich-
keit ausgeführte Brücke, und aus dem eben an-
geführten Grunde können auf Erden Tiere von
einer nur begrenzten Größe leben. Je größer
sie sind, um so unbeholfener werden alle ihre
Bewegungen. Das einfache Übertragen von
kleinen Lebensformen in vielfacher Vergrößerung
auf Architekturglieder führt daher meist zu ab-
surden Gebilden. Auch hier versagt also die
Grübelei, die wohl gewisse Beziehungen erkennt,
dabei aber sehr wichtige Tatsachen übersieht.

Dem Querschnitt der Wand zu van de Veldes
Museumshalle mit dem vorspringenden Bilderfries,
welche auf der Dresdener Kunstgewerbe - Aus-
stellung zu sehen war, liegt nach der eigenen
Aussage des Künstlers die Silhouette einer Staffelei

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