Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 21.1907

DOI Artikel:
Jaumann, Anton: Goldschmied Emil Lettré - Berlin
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6700#0101

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Goldschmied Emi/ I.elire—Berlin.

GOLDSCHMIED EMIL LETTRE — BERLIN.

In Gold getrieben mit Email und Steinen.

Handspiegel.

all den Zeichnern. Das Gewerbe hat sich
in seiner Familie seit langem vererbt. Die
Goldschmiedekunst in Hanau geht ja bis
auf die Hugenottenzeit zurück. Vielleicht
ist es die ererbte Anlage, die Lettre dem
Handwerk die Treue hat wahren lassen.
Er ist Goldschmied mit allen Fasern seines
Wesens, seine Vorstellungen und Erfin-
dungen bewegen sich ausnahmslos in
edlen Metallen und Steinen, einzig diese
Tätigkeit ist ihm konform und lieb.

Daß Lettre bei Dasio in München studiert
hat, wird dem Kundigen manches Detail
an seinen Entwürfen erklären. Doch hat
der Meister nicht den ausschließlich be-
stimmenden Einfluß auf ihn gewonnen,
der sonst an Kunstgewerbeschulen die
— böse — Regel ist. Lettre war es glück-
licherweise vergönnt, seine eigene Art fest-
zuhalten und fortzubilden. (Die Kunstge-
werbeschule wird immer am günstigsten
bei solchen selbständigen Naturen wirken,
die schon praktisch im Gewerbe tätig waren
und nun entweder einer Läuterung ihrer
sprudelnden Phantasie bedürfen oder einer
systematischen Mehrung ihres Formen-
scharjes.) Der wichtigste Erfolg dieser
Schulzeit ist ein negativer : Lettre ist kein
Zeichner geworden.

In seinen Werken tritt deshalb der
Zeichner durchweg hinter dem Goldschmied
zurück. Keine Linie ist als Linie erfunden,
sie lebt in einer leibhaftigeren Welt, sie
ist bewegtes Metall. „Wie kleidet Gold
diese Geste?" fragt der Goldschmied.
„Auf welche Formen ist Silber gestimmt,
wie liegt ihm diese, wie jene Rundung,
klingt es darin wie ein Ton?" Die
sagen, in Metall läßt sich jede Zeichnung
wiedergeben, die Technik muß alle
Schwierigkeiten überwinden, die haben
Recht und Unrecht. Man hat schon
die verwegensten Kunststücke in Metall
ausgeführt. Man hat die Natur täuschend
kopiert. Aber diese Trics haben mit Kunst
nicht das Geringste mehr zu tun. Die
Kunst hat Ehrfurcht vor dem Willen des
Materials, ihre Aufgabe ist nicht, die In-
dividualität des Metalls zu brechen, son-
dern sie zu entfalten und zu läutern. Die
graziöse Steifheit, die herbe Elastizität, die
spröde Weichheit, alle Tugenden, die in
Gold und Silber ungeordnet versteckt sind,
die holt der Goldschmied ans Licht und
vereinigt sie zu einem schönen Charakter-
bild. Lettre hat gewiß die delikatesten

88
 
Annotationen