Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 21.1907

DOI Artikel:
Bredt, Ernst Wilhelm: "Die gute alte Zeit" - und wir
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6700#0155

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
»Die gute alte Zeit«. — und zvir.

„DIE GUTE ALTE ZEIT" - UND WIR.

VON E. W. BREDT.

Wie oft wird sie wohl tagtäglich gerühmt
»die gute alte Zeit« — bald im Bieder-
meiermöbel, bald im Bauerntand, dort beim
Antiquitätenhändler, da in alten Schlössern?
Und platonisch ist diese Liebe zum Altertum
gewiß nicht zu nennen.

Grade tüchtigste neuschöpferische Künstler
wissen genug zu jammern über das Ausbleiben
von Aufträgen — die Zahl der Antiquitäten-
handlungen steigt aber von Jahr zu Jahr, und
jede Auktion von Altertümern übertrifft die
schon erstaunlich hohen Preise der letzten
um unvernünftige Summen.
Ist das wirklich so?

Kommt die neue Kunst, trotz tatsächlich
erstaunlich guter Neuschöpfungen, immer noch
so schlecht weg? Wird für alte Kunst, für
alles was alte Stile nachahmt noch immer
sehr viel mehr ausgegeben als für beste neue
Kunst ?

Um das kurzweg zu beantworten, wären
zwei Reihen von Zahlen aufzustellen.

In der einen Reihe wären die Summen
aufzuführen, die alljährlich verausgabt werden

I. für Antiquitäten (Möbel, Schmuck etc.)

II. » alte Kunstwerke (Gemälde, Statuen etc.)

III. » Kirchen-, Schlösser- und Burgenwieder-

herstellungen

IV. » Bauten in alten Stilarten

V. » Wohnungseinrichtungen etc. in irgend

einem alten Geschmack.
In der Gegenreihe wäre aufzuführen:

I. Was in unseren modernen Kunst- und

Kunsl gewerbeausstellungen verkauft wird.

II. Was unsere Museen für neue Kunst aus-

geben.

III. Wieviel für Bauten, monumentaler Art

ausgegeben wird, die nicht historisch-
eklektisch — oder, wie man jetzt gern
den Eklektizismus beschönigend nennt —
»traditionell« gebaut sind.
Es leuchtet ein, daß die Aufstellung dieser
Summen, etwa für ein Jahr und nur für
Deutschland gedacht, sehr schwer sein dürfte,
ja daß eine genaue Vergleichung der Gesamt-
summen ganz unmöglich wäre.

Abgesehen von sehr gewissen statistischen
Schwierigkeiten, ist auch die Grenze zwischen
rein neuschöpferischer und nachempfindender-
altertümelnder Kunst eine sehr ungewisse.

So sei hier von jedem Versuche einer
Aufstellung abgesehen.

142

Wer die Auktionspreise einigermaßen ver-
folgt, wer sich die Millionen vergegenwärtigt,
die die Wiederherstellungen unserer Kirchen
und Burgen verschlingen, — dem ist ohne
weiteres klar, daß die Gesamtsumme aller
staatlichen oder gemeindlichen Ausgaben für
künstlerische Neu Schöpfungen völlig ver-
schwindet neben der, die unsere unbegrenzte
Altertums Verehrung noch alljährlich kostet.
* * *

Aber sicherlich werden uns Viele, die sich
diese so ungleichen Summen vergegenwärtigen,
ohne weiteres sagen: »freuen wir uns, daß
es so ist, — wir können stolz darauf sein,
so viele Freunde und Kenner des Altertums
und so riesige Summen zu zählen, die dank-
bare Pietät der Vorzeit und ihrem Ruhme
geopfert«.

Die so etwas sagen, führen das Lob der
guten alten Zeit beständig auf der Zunge —
ohne zu wissen, welch geradezu grotesk-
komische Geschichtsunkenntnis sie damit
verraten.

Die unsere Zeit rühmen wegen ihrer äußerst
kostspieligen Antiquitäten-Liebhaberei, leisten
unserer Kunst, unserer Kultur den schlechtesten
Dienst, der sich denken läßt.

Ohne weiter zu prüfen wie wenig Altertums-
kenner und vollberechtigte Kunstsammler wir
haben und wie erstaunlich viele Träumer, die
nach ganz vagen sentimentalen Empfindungen
heraus, kritiklos für jeden alten Kasten
schwärmen — sei hier die eben ausgesprochene
Verurteilung doch mit dem wichtigsten Grunde
ihres Rechts bedacht.

Hat >die gute alte Zeit« wirklich auch
nur im entferntesten eine ähnliche Verehrung
für das damals alte gekannt, wie das heute
der Fall ist?

Nein! Ganz entschieden nicht!

Wer nur einigermaßen gründlich die
Kultur früherer Jahrhunderte kennt, weiß das
sehr gut. Hier ist nicht der Ort, das aus-
führlich oder flüchtig darzulegen.

Aber ich sollte meinen, das brauchten
uns nicht erst Geschichtsbücher zu melden.
Wer klare Augen — nicht durch Sentimen-
talität verschleierten Blick — besitzt, könnte
das jedem Kunstwerk der Vorzeit ansehen.
Sogar dem mittelmäßigen.

Und tatsächlich rühmen ganz richtig die
meisten an der alten Schnitzerei, am alten
 
Annotationen