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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 21.1907

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Schaukal, Richard: Ein Mahnwort an die Erben: Eine Wiener Glosse
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https://doi.org/10.11588/diglit.6700#0169

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Richard Schaukai :

in der sich an die Stelle des Ruhigen, des Großen,
des Rhythmischen das Lärmende, das Kleinliche,
das Falsche drängt, erhält das Leben ein fahles,
faltiges, gehegtes Antlirj.

Bedenket eines, ihr gleichgiltigen Bürger
einer einst wunderbaren Stadt. Diese Stadt stand
um euch in gelassener Existenz. Sie störte euch
nicht, sie war aber eine stumme Macht über euer
Leben, über das Schicksal eurer noch ungebornen
Kinder.

Nehmet den Dom von St. Stefan. Ihr lasset
ihn immer wieder in süßlichen Couplets euch
preisen, trinkt Orinzinger zu dem klebrigen Sing-
sang und fühlet euch als beati possidentes. Nehmet
an, man verfügte mit eins über euren „alten Steffel".
Man beliebte, ihn abzutragen. Das dünkt euch
widersinnig, unmöglich.

Aber glaubet mir, genau so widersinnig ist
es, wenn man euch — nicht hinterm Rücken etwa,
sondern vor euren stumpfen Augen — das Kriegs-
ministerium „am Hof" abträgt. Es ist kein „Wahr-
zeichen" wie der Stock im Eisen, der eine Reliquie
ist, die ohne die Legende nichts vorstellt als ein

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ehrwürdiges Kuriosum, es ist weit mehr als so
ein erst zu kommentierendes Wahrzeichen: eine
architektonische Schönheit. Das Kriegs-
ministerialgebäude ist nicht bloß ehrwürdig vor
Alter, sondern weit mehr, es ist ehrwürdig um
seiner großartigen Existenz willen. Es
ist ein Prospekt wie die Hofreitschule, wie die
Stallburg, wie das Belvedere, die Karlskirche,
das Dominikanerkloster, die Technik.

Prachtvoll schließt diese breite Masse eine
Sicht ab. Man nennt dies eben darum einen
Abschluß. Das Auge will ruhen. Es fliegt
durch Straßen und sucht, wo es für eine Weile
bleiben darf. Auf dem Dominikanerkloster darf
es bleiben, auf der Stallburg. Meint ihr, es ver-
weilte mit Behagen auf euren zinstragenden
schändlichen Neubauten, etwa auf den prorjigen
Kulissen der „erweiterten" Kärntnerstraße, des
schmählich geschändeten „Neuen Marktes" (in
dessen Mitte, Daniel zwischen den Bestien,
Rafae! Donners herrlicher Brunnen ein ver-
wunschenes Dasein träumt)?

Das „Kriegsministerium" war ihm - ihr
 
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