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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 21.1907

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Pastor, Willy: Oskar Zwintscher Dresden
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https://doi.org/10.11588/diglit.6700#0350

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Noch vor zehn Jahren war Oskar Zwintschers
Kunst fast unbekannt. Wenn sich das heute
änderte, wenn der Name dieses Malers gerade-
zu Programm und Kampfruf werden konnte,
so ist das erfreulich nicht nur für den Künstler
selbst, sondern weit mehr noch als ein Zeichen
allgemeiner Art. Zwintscher ist einer der
deutschesten Künstler, die uns heute leben.
Sein Anerkanntsein ist ein Sieg der deutschen
Sache, ist mit ein Beweis, daß wir nun endlich
uns losmachen von der Fremdherrschaft, die
uns so lange zwang.

Zwintschers erste Sammelausstellung (sie
war 1898 in Dresden, Berlin, Hamburg,
Bremen, Lübeck, Leipzig, Wiesbaden und
Frankfurt) wirkte wie eine Kriegserklärung.
Man hatte sich unter Kennern damals allgemein
auf eine Malerei geeinigt, die Liebermanns
Wort bestätigte, für den Maler seien die Dinge
selbst nichts, die Reflexe auf den Dingen
aber alles. Die Impressionskunst Pariser
Aufmachung herrschte unumschränkt bei allen,
die mitreden wollten. Die besten Bilder gaben
die Erscheinungen in einer Art, daß man
glaubte spiritistische Materialisationen zu sehen.
Nur die strukturlose Malerei galt als malerisch,

und einen klaren Umriß, eine ruhige Lokal-
farbe zu geben, das war für den Maler ungefähr
ebenso schändlich, wie es für den Schriftsteller
in der Zeit des »Naturalismus« schändlich
gewesen war, einen wohlgebauten, unzerrissenen
Satz zu geben.

Und nun kam da ein Störenfried, der in
irgend einem Winkel der Meißener Burg diese
ganz und gar unmodernen Bilder gemalt hatte;
Bilder, die Knochen hatten, die in ihrer ruhig
sicheren Linienführung, ihren klaren Farben
der »Malerei des Seins« (um diesen Ausdruck
Jakob Burckhardts anzuwenden) aufs Neue
huldigten. Es war unerhört. Akademisch konnte
man diese großempfundenen, nichts weniger
als pedantischen Sachen nicht gut nennen.
Für ein Ehrenmitglied der Moderne wie etwa
Hans Thoma war der 1870 geborene Künstler
zu jung. Was also tun ? Zum Glück entdeckte
man, daß Zwintscher seinen Lebensunterhalt
als Mitarbeiter der »Meggendorfer Blätter«
erwarb. Das gab eine gute Gelegenheit, ihn
richtig abzustempeln: er war ein Zeichner,
der hartnäckig aber vergeblich bemüht war,
sich auch als Maler zu legitimieren.

Einen der deutschesten Künstler, die uns

1808. vi. i.

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