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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 22.1908

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Widmer, Karl: Künstlerische Konzentration des Innenraums
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https://doi.org/10.11588/diglit.7006#0404

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Prof. Karl Widmer:

KÜNSTLERISCHE KONZENTRATION DES INNENRAUMS.

Je höhere Ansprüche wir an den Raum als
Kunstwerk stellen, desto wichtiger wird auch
das Qeset3 der künstlerischen Konzentration. Wir
verlangen sie vom Bild mehr als von der Illustra-
tion, vom Monumentalraum in demselben Maße,
wie hier der künstlerische Charakter den prak-
tischen überwiegt, mehr als vom Wohnraum.

Das ergibt sich ganz von selbst aus dem
Zusammenhang zwischen Bestimmung und künst-
lerischer Gestaltung des Raums. Der Monumental-
raum dient Handlungen, welche dem in ihm sich
abspielenden Leben einen beherrschenden Mittel-
punkt geben. In der künstlerischen Betonung
dieses Mittelpunkts erhält die Bedeutung des
Raums ihren wichtigsten Ausdruck und der Raum
die natürliche Basis seiner einheitlichen Gestaltung:
z. B. im Altar in der katholischen Kirche. Im
Wohnraum ist dagegen die Einheitlichkeit der
Ausgestaltung um so schwerer durchzuführen, je
mehr verschiedenen und gleichwichtigen Hand-
lungen des alltäglichen Lebens er dient: z. B. als
Wohn- und Eßzimmer. Hier lockert sich natur-
gemäß die Forderung der Einheitlichkeit in dem
Maße, in dem die praktischen Bedürfnisse freieren
Spielraum verlangen. Doch dürfen dabei die
Grenzen nicht überschritten werden, welche die
Ruhe als wesentliches Geset3 der Wohnlichkeit
vorschreibt. Also auch der Wohnraum verlangt
zwar keine absolute, aber doch eine relative
Konzentration.

Da hier die Einheit der architektonischen
Gestaltung in der normalen kubischen Form des
Zimmers gegeben ist, so bleiben als entscheidende
Faktoren, von denen die Konzentration des Raums
abhängt, noch drei: die Farbe, das Licht und die
Möblierung.

Die Farbe des Raums wird vor allem
durch die Wand bestimmt; das heißt bei der
überwiegenden Mehrheit aller Zimmer: durch die
Tapete. Bei aller sonstigen Minderwertigkeit hat
die Papiertapete jedenfalls den einen Vorteil, daß
sie leicht gewechselt werden kann, also von dem
jeweiligen Bewohner mit seinem Mobiliar, seinen
Bildern usw. leicht und ohne allzu große Kosten
zu einem einheitlichen Ensemble zusammenge-
stimmt werden kann: ein Vorteil, der in unserm
Zeitalter der Mietswohnung nun einmal in den
meisten Fällen den Ausschlag gibt. Denn wenn
die Holzvertäfelung für die einheitliche Behand-
lung von Wand und Mobiliar auch weitaus die
günstigste Voraussetjung ist, so kommt dieser
Fall doch nur für das Eigenhaus ernstlich in Be-
tracht. Beim tapezierten Zimmer soll man jeden-
falls darauf sehen, daß wenigstens der Anstrich
der Türen usw. mit der Tapete farbig zusammen-
geht. Das ist heutzutage um so leichter zu er-
reichen, weil man ja von der buntgemusterten
Blumentapete immer mehr zur Unitapete oder dem
ganz diskreten abstrakten Tapetenmuster (Streifen,
Carreau etc.) übergeht. Für die Ruhe und Ein-

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