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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 23.1908

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Servaes, Franz: Pflege und Leitung moderner öffentlicher Galerien
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https://doi.org/10.11588/diglit.6701#0130

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Pflege und Leitung moderner öffentlicher Galerien.

ALFRED OPPENHEIM.

sprechend größeren Raum für ihre Werke zu
beanspruchen haben. So hat man in Berlin
sehr richtig Menzel, in Wien Waldmüller mit
besonderen Kollektionen bedacht. Ist nach
dieser Richtung der Grundstock richtig gelegt
und der fernere Ausbau glücklich in die Wege
geleitet, so wird der andere Zweck des Pro-
gramms der sein, der heimischen Kunst und
den heimischen Kunstfreunden durch Einreihung
fremder Werke Genuß und Anregungen dar-
zubieten. Hierbei sollten die Meister zweiten
und dritten Grades möglichst zurückgedrängt,
hingegen diejenigen ersten Grades mit der
ganzen Pracht ihres Könnens in den Vorder-
grund gestellt werden. Je weiter eine Galerie
angelegt ist, desto ersprießlicher wird sich
nach dieser Richtung ihr Wirkungskreis aus-
dehnen können. So ist die Berliner National-
galerie mit gutem Grund als eine universell-
deutsche Sammlung durchgeführt worden, bei
der das märkisch-preußische Element nur eine
gut betonte lokale Note abgibt, ohne für
das ganze den Ausschlag geben zu dürfen.
Hingegen ist es richtig, daß die Wiener

Sammlung ihren österreichischen
Grundcharakter stärker betonen.
Wäre in Wien ein Direktor, so
hätte er dort eine herrliche Auf-
gabe. Zumal auch was den er-
weiterten Ausbau der Galerie
betrifft. Denn da von Außer-
Österreichischem beinahe noch
nichts vorhanden ist, so bleibt
eben fast noch alles zu tun.
Noch ist weder Menzel, noch
Leibi (außer zwei Studienköpfen),
noch Manet, noch Monet (außer
einem Studienkopf), noch so
viele Andere der großen Meister
entsprechend vertreten. Wirklich
gut hingegen Klinger und Segan-
tini. Auch Böcklin tritt mit
seiner großen Meeresidylle vom
Jahre 1887 mächtig hervor.
Welche Kopflosigkeit daher, wo
noch soviele Lücken anszufüllen
waren, einen zweiten Böcklin
recht minderer Qualität (die ganz
späte »Venus Genetrix«) und
ohnedies für einen unverhält-
nismäßig teuren Preis (80 000
Mark) hinzuzukaufen 1 Ganz
außerhalb eines vernünftigen
Planes lag ferner die Erwer-
bung eines mittelmäßigen Por-
träts von Goya (wobei man
wenigstens die eine Vorsicht übte, das Bild
sich schenken zu lassen). Denn Goya hat
gerade in dieser Sammlung, für die bisher der
heimische Waldmüller nach rückwärts den ge-
schichtlichen Grenzpunkt sehr richtig fixierte,
garnichts zu suchen. Ich führe diese beiden
Beispiele an, um zu zeigen, wie schwer es ist, den
Ausbau einer Sammlung konsequent und um-
sichtig zu leiten. An sich ist es ja stets ver-
führerisch, einen Böcklin oder Goya (selbst
mittlerer Güte) zu kaufen. Wenn aber aus diesem
Grunde die nächsten und notwendigsten Ziele
und Bedürfnisse aus dem Auge verloren werden
und die klaflendsten Lücken jahrelang weiter
klaffen müssen, so werden derartige »Gelegen-
heitskäufe« (von der Überzahlung ganz abge-
sehen) zu dilettantenhaften Willkürlichkeiten.

Als letzter Hauptpunkt bei einer modernen
Galerie bleibt zu merken: daß sie, als ge-
schlossener und lebendiger Organismus, selber
ein Kunstwerk sei. Sehr viel wird hierzu
naturgemäß das Haus beitragen, in dem die
Sammlung untergebracht ist. Noch sah ich
kein einziges, das unseren vorgeschrittenen

Porträt Dr. Z.

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