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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 23.1908

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Bredt, Ernst Wilhelm: Empfindungs-Bequemlichkeit: (Kunst und Wirtschaft)
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https://doi.org/10.11588/diglit.6701#0156

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M. BALLIN, HOF-MOBKLFABKIK, MÜNCHEN.

Kamin-Ecke aus dem Damen-Zimmer.

Ausstellung München 1908.

EMPFINDUNGS-BEQUEMLICHKEIT.

(KUNST UND WIRTSCIIAI-T.)

Wer die großen Epochen und Werke der
Kunst überschaut, wird zugeben müssen,
daß immer beste Kunst sehr eng mit wirt-
schaftlichen Forderungen verknüpft war.

Ich möchte hier nur dem Wunsche Aus-
druck geben, daß wir, daß sich die Künstler
wie die Laien, daß sich Schaffende wie Ge-
nießende viel mehr dem Zwange wirtschaft-
licher Forderungen unterwerfen als bisher, als
das im 19. Jahrhundert der Fall war.

Vor allen Dingen darf nicht geleugnet
werden, daß wir.uns im Bereiche der bildenden
Kunst — trotz Werkbund, trotz der Fülle
von Interessen und Werken schöner ange-
wandter Kunst —: in einem Ästhetizismus
bewegen, der viel besser in das retrospektiv-
romantische 19. Jahrhundert paßt, als in irgend
eine andere wirklich werktätig schaffende Zeit.

In der Inkonsequenz ästhetischer Wert-
urteile leistet sich unsere Zeit die seltsamsten
Sprünge. Mit höchst verherrlichenden Worten

wird uns eine alte oder moderne Landschaft
gerühmt, die aus trivialen Gegenständen, die
aus dem Nebeneinander gerader Straßen und
Kanäle und trister Vorstadtdissonanzen ein
harmonisches Kunstwerk uns gibt — und
dann glaubt — vielleicht derselbe Ästhet
als berufener Schützer der Heimat losziehen
zu müssen, gegen alles was nicht »der Land-
schaft angepaßt«. Er wettert gegen eiserne
Brücken und hohe Fabrikschornsteine, gegen
Wolkenkratzer und vorstädtische Häuser, weil
die so unschön das Stadtbild begrenzen.
Man glaubt mit solchem Ästhetizismus, der
bald unter der Marke »Heimatschutz« und
»Naturschutz«, bald unter dem billigen Signet
»künstlerischer Tradition« oder »Kulturauf-
gaben« propagiert wird, kulturellen Zielen
das Wort zu reden, um in der Tat geistige
Bevormundung zum Zwecke geistiger Ver-
armung zu gebrauchen, d. h. zu mißbrauchen.
Kreise, Bezirke, Städte, Städtchen und

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