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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 24.1909

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Breuer, Robert: Das ästhetische Verhalten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7005#0030

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PROFESSOR LUDWIG V. HOFMANN WEIMAR.

DAS ÄSTHETISCHE VERHALTEN.

Die moderne Ästhetik müht sich, weder
einen bestimmten Begriff des Schönen
aufzudecken, noch ist ihr bisher die Fixierung
fester Normen für die Beurteilung von Kunst-
werken gelungen; es ist auch keineswegs wahr-
scheinlich, daß ihr dies je gelingen wird.

Wie die Wissenschaft überhaupt, so hat
auch die Ästhetik keinerlei Rücksicht zu
nehmen, weder auf die Ethik noch auf Fragen,
die über die Grenze der menschlichen Er-
kenntnis innerhalb der allgemein gültigen Ge-
setze der Logik hinausgreifen. Die Ästhetik
beschäftigt sich mit Vorgängen des Seelen-
lebens, jede psychische Äußerung ist aber an
ein körperliches Gebilde gebunden und durch
dessen Veränderungen bedingt. DemÄsthetiker
sind darum sowohl psychologische, als auch
physiologische und damit zusammenhängend
naturwissenschaftliche Probleme gestellt.

Das ästhetische Verhalten, das reine Sehen
(Hören, wenn wir von Tönen redeten), ist die
Hingabe des Menschen an einen optischen

Eindruck, ohne außerhalb des Prozesses selbst
liegenden Zweck. Dieser Zustand kann un-
gewollt eintreten und kann beabsichtigt werden.

Das ästhetische Verhalten ist nicht eine
Äußerung des Intellektes, sondern ein bewußt
aufrecht erhaltener, absichtlich geförderter Er-
regungszustand der Sinne.

Allen Einwendungen mißverstandener As-
kese gegenüber sei das schöne Wort Vischers
vorgehalten: »Niemand nenne sich gebildet,
der nicht gebildete Sinne hat.« Gebildete,
das heißt aber vor allen Dingen geübte Sinne.
Das ästhetische Verhalten nimmt an Intensität
zu in dem Maße der Aufnahmefähigkeit der
Sinne und deren verfeinerten Unterscheidungs-
vermögens. Kultur der Sinne ist die not-
wendigste Vorausbedingung für das Zustande-
kommen des ästhetischen Verhaltens.

Das ästhetische Verhalten gipfelt im ästheti-
schen Urteil. Schön oder häßlich, das ist hier
die Frage. Einen in die Seele gesenkten, fest
normierten Begriff des Schönen können wir

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