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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 24.1909

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Utitz, Emil: Tote und lebende Schönheit
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https://doi.org/10.11588/diglit.7005#0071

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■E_j_T w U RF - FR- GILDEmEISTER.- GR R T EN MICH ITEAT ■ BREWEN-im- JBN UWR.':1 9 09

FR. GILDEMEISTER BREMEN. Terrassen-Anlage.

TOTE UND LEBENDE SCHÖNHEIT.

VON DR- EMIL UT1TZ PRAG.

Selbst derjenige, welcher die Überzeugung
vertritt, daß in den mannigfaltigen Er-
scheinungen des Schönen in Natur und Kunst
letzte Gesetze hervortreten, die unwandelbar
durch den Gang der Zeiten dahinziehen in
eherner Strenge, wird doch zugeben, daß das
Schöne in gewissem Maße von zeitlichen und
örtlichen Bedingungen abhängt und daher
mancherlei Wandlungen unterworfen ist. Mag
sein Kern vielleicht sich auch gleich bleiben,
die; Hüllen wechseln.

^In dieser — ja gar oft erwähnten — zeit-
lichen und örtlichen Bedingtheit der Künste
liegt eine der Ursachen des Stilwandels. Nur
arge Verblendung könnte dies leugnen. Dieses
Geschehen aber zu bedauern, heißt den un-
aufhaltsamen Schritt der Tatsachen anzuklagen,
statt bescheiden seiner Sprache sich zu fügen.
Immer aber erheben sich Rückschrittelei und
Sentimentalität, die laut das Lob des Ver-
gangenen singen und seine Fortführung fordern.

Und indem sie dies tun, zeigen sie deutlich,
daß sie die Werte der Vergangenheit — nicht
verstehen. Gerade die begeisterte Liebe zu
vergangener Kunst muß die Erkenntnis ihrer
Einzigkeit zeitigen. Wir können keine neue
Gotik und keinen neuen Goethe hervorbringen;
wohl möglich ist aber eine Zeit, die an innerer
Größe und Wucht jener nicht nachsteht, und
ein Genie, das jenem gleichkommt. Wir
stören aber alles Werden und Wachsen, Keimen
und Blühen, wenn wir im Namen des Ver-
gangenen das Seiende vergewaltigen. Der
Vergangenheit lichte Werte zu verdunkeln,
ist fraglos Barbarei; aber gleiche Barbarei ist
es, der Gegenwart eigentümliches Wesen zu
mißachten und zu verkennen.

Zu diesen Fragen seien mir nur einige
wenige Bemerkungen gestattet. Vorerst be-
achten wir die große Tatsache des Stilwandels!
Wer in der Kunst nur einen Ausfluß müßiger
Laune, anmutiger Tändelei erblickt, wird da

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