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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 24.1909

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Zimmermann, Ernst: Neue keramische Arbeiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7005#0123

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NEUE KERAMISCHE ARBEITEN.

VON ERNST ZIMMERMANN.

Es kann kein Zweifel sein, unsere ganz
allmählich wieder zu einem gesunden,
natürlichen und innerlichen Kunstempfinden
zurückkehrende Zeit gewinnt langsam, aber
mit unausbleiblicher Sicherheit auch eine große,
starke Neigung wieder für jene farbenfrohe,
kulturhohe Kunst der Keramik, die, in der
Hauptsache im Zeitalter der Renaissance unter
dem Einflüsse des Orients geboren, zu allen
Zeiten dann und in allen Ländern die regste
Kunst-Betätigung entfaltet hat, bis sie im
18. Jahrhundert schließlich, im Zeitalter des
Porzellans zu einer Leidenschaftlichkeit geführt
hat, für die die gesamte Geschichte des Kunst-
gewerbes, ja vielleicht der Kunst überhaupt
kein volles Gegenstück zu liefern im Stande
ist. Kein Monat vergeht jetzt, in dem nicht
ein größeres und reich mit Abbildungen ver-
sehenes Werk über irgend ein Gebiet dieses
Zeitraums erscheint, keine Woche, in der wir
nicht immer wieder kopfschüttelnd von jenen
erstaunlich hohen Preisen lesen, die heute für
die besten und schönsten Erzeugnisse auf
diesem Gebiete aus früherer Zeit, die meist
vor zwei Jahrzehnten noch kaum beachtet
wurden, bezahlt werden. Immer neue Sammler
tauchen hier auf, immer bedeutender werden
die keramischen Bestände in den Museen.
Die Keramik, und speziell das Porzellan, kann
heutzutage auf dem Gebiet der alten Kunst
geradezu Trumpf genannt werden.

Gleichzeitig kann ebenfalls nicht zweifelhaft

1909. Tin. 6.

sein, daß auch für die keramischen Erzeug-
nisse unserer Zeit ein ganz anderes Interesse
wieder vorhanden ist, als noch vor wenigen
Jahren, ja daß dies mit erstaunlicher Schnellig-
keit wächst und aller Wahrscheinlichkeit nach
immer schneller noch wachsen wird. Es ist
heute vielfach eine ganz andere Sache, wie
noch vor recht kurzer Zeit, sich ein neues
Service zuzulegen, ja auch nur eine einzige
Tasse, aus der man selber trinken will, eine
ganz andere Sache, sich eine Blumenvase an-
zuschaffen, in der die Blumen, für die sie
bestimmt auch wirklich zu Geltung kommen
sollen. Die frühere Gedanken- und Empfin-
dungslosigkeit ist hier nun oft genug vorbei,
mit ihr die künstlerische Anspruchslosigkeit,
sich wie früher, ein jedes keramisches Pro-
dukt, das sein Erzeuger schon für schön und
brauchbar erklärt hat, auch für ein solches
in die Hand stecken zu lassen. Die Kritik
hat hier gegenüber der keramischen Fabri-
kation jetzt vielfach mit aller Schärfe ein-
gesetzt : sie verlangt auch hier jetzt ein
höheres künstlerisches Niveau.

Dem gegenüber ist es jedoch erstaunlich,
daß die keramische Fabrikation unserer Tage
diesen sich jetzt allmählich vollziehenden Um-
schwung in der Hauptsache noch keineswegs
begriffen hat. Wer z. B. die Leipziger Vor-
messe in diesem Jahre besucht hat, auf der
sich ja fast die gesamte keramische Produktion
Deutschlands ein Stelldichein gibt, der wird

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