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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 24.1909

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Michel, Wilhelm: Emil Preetorius
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https://doi.org/10.11588/diglit.7005#0133

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EMIL PREETOR1US DARMSTADT.

Dekorativer Fries 3x1 m.
Dunkelgrün auf getöntem Weiß.

EMIL PREETORIUS.

Romantische Ironie — so könnte wohl das
Stichwort dieses jungen Künstlers lauten,
dessen kluge, träumerische Hand uns kürzlich
die höchst romantische Gestalt des Herrn
Peter Schlemihl hat lebendig werden lassen.
Klug und träumerisch, skeptisch und sehr
empfindsam ist die Linie dieses Zeichners,
dabei so rein und so keusch — ich weiß
kein anderes Wort dafür — daß man sich
den Schöpfer kaum als Bürger dieser über-
lauten und nicht sehr sauberen Welt denken
kann. Er sitzt irgendwie hinter den Dingen,
zum mindesten hinter irgend einer spanischen
Wand, von der aus er die Welt und den
Tag mit den Augen eines Fremden, nicht
Dazugehörigen beobachtet.

Es mag einem an dieser Linie zuerst ein
groteskes, ein sarkastisches Element auffallen,
ich gebe es zu. Aber ich behaupte, daß
Preetorius' Linie in diesem ihrem Sarkasmus
rührend ist. Das macht ihre peinliche, aus-
geputzte Sauberkeit, ihre Heimlichkeit und
Stille. Sie ist in all ihrem Spotte, den die
Sordine des Leides sonderbar dämpft, so
wenig laut, sie hat die Fähigkeit des Schweigens.

Ganz natürlich, denn dieser Spott, dieser
Sarkasmus geht nicht von sozialer Kritik, auch
nicht von einem ethischen oder ästhetischen
Ideal aus. Seine Wurzeln liegen, ganz wie
bei den alten Romantikern, im Metaphysischen,
und seine letzte Kennzeichnung lautet, ich
wiederhole das Wort, romantische Ironie.
Das neckische Ornament, zu dem sich Preetorius'
Linie gerne kräuselt, scheint mir eine Art
lächelnden Verzichtes zu bedeuten. Es stellt
den Ausdruck jenes resignierten, romantischen

Leichtsinns dar, von dem Brentano in seinen
Versen so gerne spricht. Es ist Wehsatire,
was diese Linie liefert. Von Brentano wird
erzählt, daß es keinen Menschen und keinen
Gegenstand gab, der ihm nicht sogleich
Anlaß zu irgend einem Witzwort oder zu
einem spöttischen Lächeln geliefert hätte.
Etwas ähnliches, nur mit veränderten
Temperamentsqualitäten, liegt bei Preetorius
vor.. Zwar unterscheidet auch er zwischen
Naturstudie und Karikatur, aber beide stehen
sich bei ihm doch recht nahe. Seine Karikatur
geht nicht von der einzelnen witzigen oder
humoristischen Beobachtung und Steigerung
aus, sondern sie ist allgemeiner, ich möchte
fast sagen: weltanschaulicher Art. Man sieht
seinen Karikaturen gesellschaftlicher Typen
sofort an, daß nicht ihre besonderen
Lächerlichkeiten Anlaß zu diesem Lachen
und Kichern der Linie gegeben haben. Sondern
rein als Individuen reizen sie diesen Künstler,
seinen Witz an ihnen zu üben. Das ist
Schuld daran, daß Preetorius' Zeichnungen,
wie sie verschiedentlich im »Simplizissimus«
erschienen, aus dem Rahmen dieses Blattes
beträchtlich herausfielen. Man muß einige
Dinge wenigstens ganz ernst nehmen können,
wenn man ein Karikaturist im Sinne des
heutigen Witzblattyps sein soll. Nun betrachte
man aber das, was für Preetorius »Natur-
studien« bedeutet: diese Herren und Damen
ringeln sich förmlich vor launischem Ornament,
und das Schwergewicht der Darstellung liegt
entschieden auf der Seite des Subjektiven.

Viele dieser »Naturstudien« sind in sehr
kurzer Zeit entstanden. Und doch enthalten

1909. VIII. 6.

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