DOI Artikel:
Westheim, Paul: Vom unbewusst schaffenden Künstler
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.7005#0139
Vom unbewußt schaffenden Künstle):
ist doch der W i 11 e zu
Zweien. Das Kunst-
schaffen wird auch zur
organischen Lust, zur
Befreiung von dem dump-
fen Druck der unge-
borenen Idee, wenn der
Schöpfer bereit ist.
Wenn er seine ganze
Kraft gesammelt, seine
Fähigkeilen diszipliniert,
Auge und Hand ge-
bändigt hat. Wenn er
voll von Figur ist und
ihm jedes Gebilde voll
Figur wird. Nie haben
verworrene Empfindung
und dumpfe Bewußtlosig-
keit die eherne Klarheit
der höchsten Form ge-
boren. In der klassischen
Ruhe steckt immer po-
tenzierte Logik. Eine
Logik, die vielleicht
schon im Unterbewußt-
sein des Gehirns schlum-
mert, während sie in der
Hand lebt und sich zeu-
gend auswirkt. Das beste
Kunstwerk ist fertig, be-
vor der Künstler an die
Auslührung schreitet.
Groß und rein muß es
vor ihm stehen, wenn
es ihn zum gewaltigen
Kampf mit der Materie
anspornen soll. Solch
mühevolles Formen ist
gleich einer Pintbindung.
A?orher die bewußte Idee,
nachher die bewußte
Tat. Der unbewußt
schaffende Künstler ist
wie der Globetrotter, der losfährt ohne Ziel,
ohne Zweck, ohne Notwendigkeit. Irgend-
wohin kommt er ja. Er hat schon etwas
aufzuweisen — Bilder, die für einen Noten-
deckel gut genug wären, Plastiken, die als
Bibelots lächeln machen, Architekturen, die
auf dem Papier eine gute Schwarz-weiß-Wir-
kung ausüben, wenn es anch für sie keine
Grundrisse gibt. Die Sachen machen den Ein-
druck der Unbeholfenheit, weil im Gegensatz
zur disziplinierten Rede alles hilflos heraus-
gestammelt erscheint. Ihnen fehlt jene kluge
Strategie, jene weise Sparsamkeit, mit denen der
X
emil preetorius—dakmstadt. Porträt des Freiherrn v. N.
Aquarell-ZeielinungilHell-Orange, Mauve.iind Grau auf getöntem Weiß.
echte Rhetor Wendung um Wendung steigert,
um immer eindringlicher, immer machtvoller zu
wirken. Wer sich nicht vorher die Gedanken-
folge zu kneten vermochte, wird jedenfalls nur
Worte herausstammeln, leere, hohle Worte. . .
Lieber Kunstjüngling, wenn dir nur die
geheimnisvolle Stunde der Intuition zur Ent-
fesselung deiner ungeahnten, unbewußten Kräfte
fehlt, so kaufe dir eine warme Sammetjoppe
und warte, warte, warte.....Die starke
Energie ertrotzt sich den Schöpfertag. Dionysos
erscheint, wenn er gerufen wird — aber auch
nur dann. paul westheim.
ist doch der W i 11 e zu
Zweien. Das Kunst-
schaffen wird auch zur
organischen Lust, zur
Befreiung von dem dump-
fen Druck der unge-
borenen Idee, wenn der
Schöpfer bereit ist.
Wenn er seine ganze
Kraft gesammelt, seine
Fähigkeilen diszipliniert,
Auge und Hand ge-
bändigt hat. Wenn er
voll von Figur ist und
ihm jedes Gebilde voll
Figur wird. Nie haben
verworrene Empfindung
und dumpfe Bewußtlosig-
keit die eherne Klarheit
der höchsten Form ge-
boren. In der klassischen
Ruhe steckt immer po-
tenzierte Logik. Eine
Logik, die vielleicht
schon im Unterbewußt-
sein des Gehirns schlum-
mert, während sie in der
Hand lebt und sich zeu-
gend auswirkt. Das beste
Kunstwerk ist fertig, be-
vor der Künstler an die
Auslührung schreitet.
Groß und rein muß es
vor ihm stehen, wenn
es ihn zum gewaltigen
Kampf mit der Materie
anspornen soll. Solch
mühevolles Formen ist
gleich einer Pintbindung.
A?orher die bewußte Idee,
nachher die bewußte
Tat. Der unbewußt
schaffende Künstler ist
wie der Globetrotter, der losfährt ohne Ziel,
ohne Zweck, ohne Notwendigkeit. Irgend-
wohin kommt er ja. Er hat schon etwas
aufzuweisen — Bilder, die für einen Noten-
deckel gut genug wären, Plastiken, die als
Bibelots lächeln machen, Architekturen, die
auf dem Papier eine gute Schwarz-weiß-Wir-
kung ausüben, wenn es anch für sie keine
Grundrisse gibt. Die Sachen machen den Ein-
druck der Unbeholfenheit, weil im Gegensatz
zur disziplinierten Rede alles hilflos heraus-
gestammelt erscheint. Ihnen fehlt jene kluge
Strategie, jene weise Sparsamkeit, mit denen der
X
emil preetorius—dakmstadt. Porträt des Freiherrn v. N.
Aquarell-ZeielinungilHell-Orange, Mauve.iind Grau auf getöntem Weiß.
echte Rhetor Wendung um Wendung steigert,
um immer eindringlicher, immer machtvoller zu
wirken. Wer sich nicht vorher die Gedanken-
folge zu kneten vermochte, wird jedenfalls nur
Worte herausstammeln, leere, hohle Worte. . .
Lieber Kunstjüngling, wenn dir nur die
geheimnisvolle Stunde der Intuition zur Ent-
fesselung deiner ungeahnten, unbewußten Kräfte
fehlt, so kaufe dir eine warme Sammetjoppe
und warte, warte, warte.....Die starke
Energie ertrotzt sich den Schöpfertag. Dionysos
erscheint, wenn er gerufen wird — aber auch
nur dann. paul westheim.